Was sind PFAS? Und wie kommen sie in Lebensmittel?
Wie kommen PFAS in den Boden und wie gelangen sie aus dem Boden in Pflanzen, Tiere und letztlich auf unsere Teller? Je genauer das Thema verstanden wird, desto besser kann man damit umgehen.
PFAS steht für per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen und ist ein Überbegriff für Tausende von chemisch hergestellten Verbindungen. Die bekanntesten und am besten untersuchten davon sind PFOA (Perfluoroctansäure) und PFOS (Perfluoroctansulfonsäure). Aktuell gibt es nur für vier PFAS (PFOS, PFOA, PFNA und PFHxS) gesetzlich verbindliche Höchstwerte in bestimmten Lebensmitteln tierischer Herkunft (Eier, Fisch, Muscheln, Fleisch und Schlachtnebenerzeugnisse wie Innereien von Rindern, Schweinen, Geflügel, Schafen und Wild). Das Verhalten der einzelnen PFAS kann sich stark unterscheiden. Im Kanton St. Gallen wurden in Fliessgewässern, im Grundwasser, im Boden und in Lebensmitteln 22 PFAS-Verbindungen analysiert. In Lebensmitteln überschritt dabei nur PFOS die gesetzlichen Höchstwerte. Dieser Artikel fokussiert sich deshalb auf PFOS. Die Aussagen über PFOS stimmen nicht immer für andere PFAS. Zum Beispiel gibt es bezüglich Aufnahme in Pflanzen grosse Unterschiede.
Ewige Chemikalien
PFOS und andere PFAS zählen zu den «persistenten organischen Schadstoffen» (POP), und diese sind mit wenigen Ausnahmen weltweit verboten. Die POP zeichnet dadurch aus, dass sie extrem stabil und langlebig sind. Sie stammen fast alle aus dem Labor, sind also in der Natur so nicht anzutreffen. Aus diesem Grund gibt es kaum Bakterien oder Pilze, welche diese Substanzen ab- oder umbauen können. Selbst Sonneneinstrahlung und Verdauungsvorgänge können sie nicht verändern. Diese Substanzen kommen weltweit vor, auch an abgelegenen Orten, und können sich anreichern.
Das PFOS-Molekül besteht aus acht Kohlenstoffatomen und zählt damit zu den langkettigen PFAS. PFOS gelangte vor allem aus Abwässern von Industriebetrieben in die Kläranlagen und lagerte sich im Klärschlamm ab. Bis 2006 war es in der Schweiz erlaubt, Klärschlämme als Dünger auszubringen. Aus Sicht der Kreislaufwirtschaft ist es sinnvoll, Stickstoff und Phosphor aus dem Klärschlamm zu rezyklieren. Die vielen unerwünschten weiteren Stoffe im Klärschlamm führten dann aber 2006 zum Ausbringungsverbot. Aktuell gibt es wieder Bestrebungen, aus Klärschlämmen gereinigte Recyclingdünger zu produzieren, was allerdings kostspielig ist.
Herkunft von PFOS
Die Menge an PFOS im Klärschlamm hängt stark von den umliegenden Industrien ab. Teilweise gelangte PFOS auch aus Löschschäumen der Feuerwehr in den Boden oder ins Abwasser und damit in den Klärschlamm. Nicht überall, wo Klärschlamm ausgebracht wurde, sind also hohe PFOS-Werte im Boden zu erwarten. Neben Klärschlamm kann PFOS auch aus anderen Quellen, beispielsweise Deponien, in den Boden gelangen.
Im Boden und in Pflanzen
PFOS bindet sich stark an Bodenpartikel und haftet an Wurzeln. Es wird nur langsam ausgewaschen und gelangt so ins Grundwasser (kurzkettige PFAS hingegen sind besser wasserlöslich).
Je höher die Konzentration von PFOS im Boden ist, desto höher ist sie auch in den Pflanzen. Je nach Pflanze und Pflanzenteil wird mehr oder weniger PFOS aufgenommen. Innerhalb der Pflanze wird PFOS passiv mit dem Transpirationsstrom (also dem Wasserstrom in Richtung der Verdunstung) verlagert. Ergebnisse aus Deutschland zeigen, dass die Aufnahme und die Einlagerung in die vegetativen Teile der Pflanze deutlich intensiver ablaufen als die innerpflanzliche Umlagerung in die Speicherorgane.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Chemikalie in den vegetativen Pflanzenteilen in höheren Konzentrationen nachgewiesen wurde als in Speicherorganen und Früchten. Dies ist nachvollziehbar, denn diese Organe tragen kaum zur Transpiration bei. Hier ein paar konkrete Beispiele:
– In Mais-, Hafer- und Sommerweizenkörnern findet man nur geringe PFOS-Konzentrationen, während in den restlichen Pflanzenteilen hohe PFOS-Konzentrationen gemessen werden.
– Kartoffelknollen nehmen insgesamt wenig PFOS auf; in der Schale wurden höhere Konzentrationen gemessen als in der Knolle. Nur die grünen Pflanzenteile reichern PFOS an.
– Beim Deutschen Weidelgras (Englisches Raygras) wurden PFOS-Konzentrationen von vier Schnitten verglichen. Im ersten Schnitt wurden deutlich geringere PFOS-Konzentrationen gemessen.
– Untersuchungen an Tomaten haben gezeigt, dass die Aufnahme und Einlagerung von PFOS in der Wurzel klar überwiegt, nur wenig PFOS in vegetative Pflanzenteile transportiert wird und kaum etwas oder gar nichts in die Frucht gelangt. (Achtung: Für andere PFAS verhält es sich gerade umgekehrt.)
Dank solchen Daten aus Deutschland können Nutzungsmöglichkeiten von PFOS-belasteten Böden geprüft werden.
In Tieren und Menschen
Mit den Pflanzen gelangt PFOS in Tiere und Menschen. Über die Verdauung erreicht es das Blut und wird im Körper verteilt. PFOS bindet sich an Eiweisse im Blut, im Muskel oder in der Milch. Stark durchblutete Organe (Leber, Niere, Milz, Hoden, Gehirn) sind stärker mit PFOS belastet als wenig durchblutete. PFOS kann zudem die Plazenta durchdringen und in den Fötus übergehen.
Im Körper von Tieren und Menschen wird PFOS nur langsam ausgeschieden. Die Ausscheidung erfolgt über den Urin, die Muttermilch oder das Blut. So werden bei Frauen oftmals tiefere PFOS-Konzentrationen im Blut gemessen, weil Frauen über die Menstruation zusätzlich PFOS ausscheiden. Wie stark sich eine Substanz im Körper anreichert, ist abhängig von der aufgenommenen Menge und der Ausscheidungsrate. Anreicherung und Ausscheidung verlaufen je nach Tierart unterschiedlich.
Menschen und Tiere nehmen PFOS hauptsächlich über die Nahrung auf. Sobald kein PFOS mehr in den Körper gelangt, wird PFOS nur noch ausgeschieden und die Konzentrationen in den Anreicherungsorten nehmen langsam ab. Im menschlichen Körper dauert es zwischen drei und fünfeinhalb Jahren, bis der Gehalt an PFOS um die Hälfte reduziert wird. Man spricht in diesem Zusammenhang von «Halbwertszeit». Bei Nutztieren ist diese Zeit meist kürzer.
PFOS-Belastung im Tier
Wie stark ein tierisches Produkt (Milch, Fleisch) mit PFOS belastet ist, hängt also von folgenden Faktoren ab: Aufnahmemenge über Futter und Wasser, Anreicherung im Körper und Ausscheidungsrate. Daraus ergeben sich einige Fragen: Wie stark dürfen Futter und Wasser belastet sein, damit die Höchstwerte im Produkt nicht überschritten werden? Wie lange dauert es, wenn man die Aufnahme von PFOS bei einem PFOS-belasteten Tier stoppt, bis die Werte im Produkt den Höchstwert nicht mehr überschreiten? Antworten auf solche Fragen zu finden ist leider nicht einfach. Die Ausscheidungsrate ist z.B. bei Milchkühen höher als bei Mastrindern, weil diese PFOS nicht nur über den Harn, sondern auch über die Milch loswerden.
Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) in Deutschland hat das Modell «ConTrans» entwickelt, um Antworten auf solche Fragen zu geben. Es erlaubt, Vorhersagen zur erwartenden PFOS-Belastung von Fleisch, Milch oder Eiern zu machen. Das Modell wurde für Hühner, Mastrinder, Milchkühe und Schweine ausgearbeitet. Für Schafe besteht noch kein Modell. Dank dem Modell kann beispielsweise eine Aussage gemacht werden, wie lange ein belastetes Tier mit sauberem Futter und Wasser versorgt werden muss, damit die geltenden Höchstwerte im Fleisch nicht überschritten werden. Ein solches Modell kann allerdings die Realität nie ganz genau abbilden. Es liefert keine völlige Sicherheit, aber gute Anhaltspunkte.
Weltweit – und in St. Gallen
Heutzutage werden weltweit, selbst in der Antarktis, Spuren von PFAS gefunden. Es gibt weltweit diverse Hotspots für verschiedene PFAS. Studien aus Australien, Dänemark und Deutschland liefern schon viele Ergebnisse, die wir in St. Gallen verwenden können. Zentral ist, dass überall versucht wird, die Nahrungsmittelproduktion aufrechtzuerhalten. In Australien gibt es ausgeklügelte Weidemanagementsysteme, in Baden-Württemberg Vorernte-Monitorings und in Dänemark werden aus Blutproben Rückschlüsse auf die Verunreinigung im Fleisch gezogen und entschieden, ob ein Tier geschlachtet werden kann. Das Landwirtschaftliche Zentrum St. Gallen (LZSG) befasst sich seit Ende August dieses Jahres mit PFAS. Das LZSG erhält Antworten und Unterstützung von Fachleuten der ETH Zürich und dem BfR. Zudem steht das Zentrum mit dem Amt für Umwelt (AFU) und dem Amt für Verbraucherschutz und Veterinärwesen (AVSV) in engem Kontakt.
Beratung bezüglich PFOS
Falls Landwirte eine Beratung bezüglich zukünftiger Produktion wünschen, dann kann man sich bei Daniela Paul oder Mathias Heeb vom Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen in Salez melden. Falls es um weitergehende fachliche Fragen zu PFOS und PFAS geht, so steht die Autorin Barbara Wöck-Wörner gerne zur Verfügung: 058 228 24 00.
Über die PFAS-Belastungen in Böden im Kanton St.Gallen haben wir berichtet. Hier geht’s zu den Artikeln