Wild-Wald-Lebensraum: «Die Arbeit trägt Früchte»
Wildverbiss erschwert die Verjüngung des Waldes, doch auch Wildtiere gehören in den Wald. Dies sorgt für Spannungen – insbesondere im Forst und in der Jagd. Die Wald-Wild-Lebensraum-Kommission hat ein Konzept entwickelt, das die Konflikte entschärft. Vergangenen Freitag wurden die Erfolgsfaktoren vorgestellt.
Es gab eine Zeit, da hatten die Förster und die Jäger das Heu nicht auf der gleichen Bühne. Das fehlende Verständnis der jeweiligen Anliegen sorgte (und sorgt manchmal noch immer) für Konflikte. Doch statt übereinander sollte man miteinander reden. Darum wurde vor elf Jahren die Wald-Wild-Lebensraum-Kommission (WWLK) ins Leben gerufen. In der WWLK treffen sich Vertreter der Jagd, der Waldwirtschaft und der Landwirtschaft. Die Erfolge sind spürbar: Früher wurden Wildschadenforderungen gestellt und über Schadenhöhe diskutiert, heute diskutiert man über Verhütungsmassnahmen. Früher stand die konkrete Abschusszahl eines Jagdreviers zur Debatte, heute berücksichtigt man die Ziele der Waldentwicklung in der Jagdplanung. 2015 hat die WWLK den «St.Galler Massnahmenplan für einen nachhaltigen Umgang in der Wald-Wild-Lebensraum-Thematik» erlassen. «Hauptaufgabe der Kommission ist die Überprüfung der Zielerreichung des Massnahmenplans. Aber auch, das gemeinsame Verständnis für Fragen im Bereich des Wald-Wild-Lebensraums und eine gute Zusammenarbeit sowie den Austausch unter den beteiligten Organisationen weiter zu fördern», informierte Beat Tinner, Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements, an einer Begehung am vergangenen Freitag im Korporationswald Vierhöfe in Rorschacherberg. «Die Arbeit der WWLK hat Früchte getragen», verkündete er erfreut.
Erfolgsfaktor: Zusammenarbeit
Wie es zu diesem Erfolg kam, erläuterte Thomas Unseld, Generalsekretär des Volkswirtschaftsdepartements und Präsident der WWLK. «Der wohl wichtigste Erfolgsfaktor ist die Zusammenarbeit und die Kommunikation.» Weitere Faktoren seien die Lebensraumpflege, die Jagd, Naturereignisse, der Luchs und die Lebensraumbeurteilung. Was diese einzelnen Erfolgsfaktoren bedeuten und welchen Einfluss sie auf das ganze Thema haben, wurde im Wald an praktischen Beispielen erklärt.
Luchs reguliert mit
In den Jahren 2001 bis 2012 wurden in den Kantonen St. Gallen und Zürich zwölf Luchse ausgesetzt. Der Bestand entwickelte sich nach einer schwierigen Anfangsphase gut. Das Projekt verlief erfolgreich und beeinflusst die Wald-Wild-Thematik. Denn: Rehe und Gämsen ernähren sich von jungen Tännchen und Laubbäumen. Je höher der Reh- und Gamsbestand, desto höher der Verbiss. Der Luchs als Raubtier ernährt sich von diesen Tieren.
Der Luchs spielt eine zentrale Rolle, denn er reduziert den Bestand an Rehen und Waldgämsen.
«Der Luchs spielt eine zentrale Rolle, denn er reduziert den Bestand an Rehen und Waldgämsen», informierte Dominik Thiel, Leiter des Amts für Natur, Jagd und Fischerei. Aber auch die Regulierung der Wildbestände durch die Jagd trägt zum Erfolg bei. So wurde beispielsweise in Problemgebieten die Bejagung verstärkt. Zudem habe man den Anteil weiblicher Tiere im Abschuss generell erhöht, sagte Thiel. Der Forst unterstützte die Jagdgesellschaften mit dem Unterhalt von Freihalteflächen sowie mit Jagdeinrichtungen, wie beispielsweise einem Hochsitz.
Natürliche Waldverjüngung
Revierförster Sebastian Lanker zeigte vor Ort einen solchen Hochsitz für die Ansitzjagd. Damit haben die Jäger die Möglichkeit, in der Verjüngungsfläche im Wald zu jagen. Hier erfolgte vor einiger Zeit ein Holzschlag. Ein solcher Eingriff hat zur Folge, dass mehr Licht in den Wald dringt. Pflanzen brauchen Licht zum Wachsen und mit gezielter Holzernte und Durchforstung werden verschiedene Baum- und Pflanzenarten gefördert. Der Erfolg zeigt sich an den vielen jungen Tannen und anderen Laubhölzern, die hier in die Höhe spriessen.
Der Korporationswald Vierhöfe setzt auf Naturverjüngung. Die jungen Bäumchen, die heranwachsen, werden aber nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Gewisse seltene Bäume werden geschützt und eingezäunt. «Es ist wie bei kleinen Kindern – die ersten fünf Jahre sind matchentscheidend», sagte der Förster.
Stürme bieten Chance
Ein weiterer Erfolgsfaktor im Wald-Wild-Lebensraum sind Naturereignisse. Auf dem ersten Blick kommt ein Sturm, der im Wald massive Schäden anrichtet, eine Lawine, die Bäume um- und mit sich reisst oder ein Käferbefall, einer Katastrophe gleich. Wirtschaftlich mag dies so sein, aber nicht aus ökologischer Sicht. «Solche Ereignisse sind eine Chance in der natürlichen Entwicklung eines Waldes», erklärte Maurizio Veneziani, Forstingenieur beim Kantonsforstamt und Betreuer der Geschäftsstelle der WWLK. «Naturereignisse bringen Licht, Pionierbäume können wachsen, das Totholz bietet Lebensraum», fasste er zusammen. Die Bodenvegetation nähme zu und biete ein grosses Nahrungsangebot für Wildtiere. So sinke die Wildschadenanfälligkeit deutlich.
Naturereignisse bringen Licht, Pionierbäume können wachsen, das Totholz bietet Lebensraum.
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Lebensraumbeurteilung, die alle vier Jahre durchgeführt wird. Forstdienst, Wildhüter und die Jagdgesellschaften beurteilen gemeinsam den Zustand der Verbisssituation. «Dabei werden bei Bedarf auch Massnahmen für Verbesserungen vereinbart», sagte Pascal Gmür, Forstingenieur beim Kantonsforstamt, verantwortlich für Wald und Wild. Der flächendeckende Überblick der Verbisssituation hat sich über die letzten drei Erhebungen unterschiedlich entwickelt. Tendenziell haben die Verbissflächen abgenommen. Von insgesamt elf Wildräumen nahmen jene mit «nicht tragbarem» Wildeinfluss von sechs auf vier ab.
Broschüre erstellt
Die Erfolgsfaktoren wurden in der Broschüre «Der Weg zum Erfolg im Spannungsfeld Wald/Wild» zusammengefasst. Die Broschüre kann unter www.sg.ch heruntergeladen werden.
Hochsitz im Jungwald: Sebastian Lanker erklärt an der Begehung, wie Forst und Jagd zusammenarbeiten können.