Podiumsdiskussion zur Biodiversitätsinitiative
Vergangene Woche fand in Gossau eine Podiumsdissussion zur Biodiversitätsinitiative statt, über die am 22. September abgestimmt wird. Claudia Friedl und Lukas Tobler argumentierten dafür, Peter Nüesch und Nicolò Paganini dagegen. Neue Argumente gab es aber kaum. Für engagierte Landwirte gab es Applaus.
In drei Wochen wird unter anderem über die eidgenössische Volksinitiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft (Biodiversitätsinitiative)» abgestimmt. Es geht um die Ergänzung von Artikel 78a Landschaft und Biodiversität. Schutzwürdige Landschaften, Ortsbilder, geschichtliche Stätten sowie Natur- und Kulturdenkmäler sollen bewahrt werden. Die Natur, die Landschaft und das baukulturelle Erbe sollen auch ausserhalb der Schutzprojekte geschont werden. Und: Die zur Sicherung und Stärkung der Biodiversität erforderlichen Flächen, Mittel und Instrumente sollen zur Verfügung stehen. Dann folgen im Initiativtext die Aufgaben von Bund und Kantonen. Der St. Galler Bauernverband und die Bäuerliche Vereinigung St. Gallen-Gossau hatten zur Podiumsdiskussion, die vor vollen Rängen stattfand, eingeladen. Stefan Schmid, Chefredaktor vom «St. Galler Tagblatt», stellte die Fragen. Christoph Zürcher, Präsident der Bäuerlichen Vereinigung St.Gallen-Gossau, begrüsste die vielen Zuhörenden.
Streitpunkt 30 Prozent
Claudia Friedl, Nationalrätin und Mitglied Vorstand WWF St. Gallen, und Lukas Tobler, Präsident Pro Natura St. Gallen-Appenzell, setzen sich für die Biodiversitätsinitiative ein. Peter Nüesch, Kantonsrat und Präsident des St. Galler Bauernverbands, und Nicolò Paganini, Nationalrat und Präsident des Schweizer Tourismus-Verbands, sagten zwar grundsätzlich Ja zur Biodiversität, aber Nein zur Initiative. Beide sahen sich in ihrem Bereich beschnitten und im Nachteil. Die Landwirtschaft mache bereits mehr als sie müsste und sei nicht bereit, mehr Fläche herzugeben, meinte Nüesch, und Paganini fürchtete, dass der dringend nötige Wohnraum und entlastende Bauten wie Umfahrungen zum Nachteil der Bevölkerung nicht überall gebaut werden könnten. Die beiden Gegner brachten immer wieder die ominösen 30 Prozent ins Spiel, die von den Initianten allerdings nirgends gefordert werden. Dagegen wehrten sie sich in Gossau mehrmals. Die 30 Prozent sind ein international vereinbartes Ziel im Rahmen der internationalen Verhandlungen zum globalen Biodiversitätsrahmen von 2022. «Sie haben nichts mit der Initiative zu tun», versuchten die Befürworter zu klären.
Alle sind in der Pflicht
Claudia Friedl machte auf den Artenschwund und schwindende Lebensräume aufmerksam, hob die Bedeutung von Bestäubern, Nützlingen und Bodenmikroorganismen hervor, auf die die Landwirtschaft angewiesen ist, und forderte mehr diverse Flächen. Lukas Tobler anerkannte, dass von der Landwirtschaft bereits viel gemacht worden sei, «aber es reicht nicht». Er brachte auch die Verkehrs- und die öffentlichen Flächen und das Siedlungsgebiet ins Spiel. Alle könnten mehr für die Biodiversität tun. Die Landwirtschaft sei allerdings ein grosser «Player» und ohne sie ginge es nicht. «Es braucht mehr Ökoflächen. Man müsse das Mittelland und das Alpengebiet allerdings differenziert anschauen und wichtig seien die Vernetzungsgebiete, die letztlich auch der Landwirtschaft dienten. Stefan Schmid brachte den Ortsbildschutz und die Bauten für Solar- und Windenergie und Wasserkraft ins Spiel. Sowohl Peter Nüesch als auch Nicolò Paganini befürchteten, dass diese verhindert werden könnten und die Ziele des Stromgesetzes, das angenommen worden ist, wegen der Biodiversitätsinitiative nicht erreicht werden könnten. «Die jüngere Initiative geht immer vor», sagte Paganini. Es dürfe deshalb nicht mehr Fläche unter Schutz gestellt werden. Die Befürworter sahen kein Entweder-oder, sondern beides als machbar. Nüesch mass dem Verbandsbeschwerderecht grosse Bedeutung zu und sah dieses als Verhinderungsinstrument bei Bauten von Staumauern oder Solar- und Windkraftanlagen.
Es geht auch freiwillig
In der Schlussrunde bezeichnete Peter Nüesch die Nahrungsmittelproduktion im eigenen Land als wichtig und deshalb könne nicht mehr Fläche für die Biodiversität hergegeben werden. Lukas Tobler widersprach und meinte, dass die Produktivität zurückgehen würde, wenn die Vielfalt nicht gefördert werde und Claudia Friedl sieht sich in der Verantwortung, das zu schützen, «was uns gehört und für uns arbeitet», damit auch die nächsten Generationen eine Lebensgrundlage vorfinden werden. Nicolò Paganini ist überzeugt, dass die Strategie und der Aktionsplan des Bundes genügen und bereits viel Geld investiert werde. «Die Initiative geht zu weit.» In der allgemeinen Diskussion berichteten zwei Landwirte von ihrem freiwilligen und zusätzlichen Engagement für die Artenvielfalt, das sich positiv auswirke, und erhielten dafür Applaus. Es kam zum Ausdruck, dass die Bauern lieber selber entscheiden möchten, wie und wo sie einen Beitrag leisten können, als noch mehr Auflagen erfüllen zu müssen.