Sich äussern und aktiv werden
Rund 50 Interessierte sahen sich am Landwirtschaftsabend der Mitte vergangene Woche in Gossau mit zahlreichen Themen konfrontiert. Bäuerinnen und Bauern wollen die Petition «Gegen die Absurdität in der Biodiversität – Für eine produzierende Landwirtschaft» einreichen.
Thomas Kempf begrüsste als Präsident der Landwirtschaftsgruppe der Mitte St. Gallen. Gekommen waren vor allem Interessierte aus der Landwirtschaft und landwirtschaftlichen Berufsverbänden sowie Kantonsräte. Von der Agrarpolitik 2022+ sei in der letzten Zeit nicht viel zu hören gewesen, informierte Markus Ritter. Themen wie die Umwelt, das Bodenrecht oder der Zahlungsrahmen seien herausgenommen worden und würden separat behandelt werden. Mit einer Motion wolle man erreichen, dass die Ernährungspolitik ganzheitlich angegangen werde und mit einer weiteren sollen Grundlagen und Rahmenbedingungen für das bäuerliche Bodenrecht angestrebt werden.
Der Wolf als Dauerthema
Der Zahlungsrahmen für die Landwirtschaft sei leicht tiefer ausgefallen. «Das ist nicht annehmbar», sagte Ritter. Der Bund habe in den letzten drei Jahren viel Geld ausgegeben, doch es könne nicht sein, dass im Budget 2024 zwei Prozent weniger Direktzahlungen vorgesehen seien. «Wir werden uns im Herbst dagegen wehren.» Als weiteres Thema rollte er den Prozess der Landschaftsschutzinitiative auf. Entscheidend sei, dass die Landwirtschaft ausserhalb des Baugebiets den Vorrang habe. Nötige Ökonomiegebäude müssten gebaut werden können. Viele Einzelfragen dazu seien noch zu diskutieren. Kantonsrätin Barbara Dürr informierte über die Umsetzung der Jagdgesetzrevision mit Regulierung der Wolfspopulation. Seit 1. Juli gilt die revidierte Jagdverordnung. Die Jagdgesetzrevision ist für 2024 in Aussicht gestellt. Die Wolfspopulation nehme stark zu, sagte Dürr. Aktuell seien in der Schweiz 250 Tiere und 26 Rudeln unterwegs. Gemäss Bundesamt für Umwelt liege die Höchstgrenze bei 250 Tieren und 20 Rudeln. Die Angriffe auf Nutztiere häuften sich. Sie erklärte, welche Voraussetzungen es für die Regulierung brauche, für welche Herdenschutzmassnahmen der Kanton zuständig sei und wie bei Rissen vorgegangen werden müsse. «Die psychische Belastung und der zusätzliche Aufwand für das Alppersonal und die Tierhalter bleiben hoch. 100 Prozent Schutz ist nicht möglich, doch das Optimum sollte geleistet werden», hielt Barbara Dürr fest.
Wie viel Biodiversitätsfläche?
Mit dem Thema Biodiversitätsinitiative und indirekten Gegenvorschlag hatte Markus Ritter nochmals einen Auftritt. Im August würden die Vorschläge für Anpassungen des Gegenvorschlags nochmals behandelt. Im Herbst stimme der Nationalrat darüber ab und dann gehe das Geschäft in den Ständerat. Die eigentliche Initiative sei weitgehend abgelehnt worden. Es gelte jetzt, auf den Ständerat einzuwirken. Philipp Schönenberger, Vizepräsident des St. Galler Bauernverbands, skizzierte ein Bild der Auswirkungen auf die Landwirtschaft, wenn einstmals 30 Prozent der Landesfläche Biodiversitätsflächen sein sollen, wie dies der Bundesrat als zwar ambitiöses und doch realistisches Ziel erachtet. Die Schutzflächen für Biodiversität sollen in der Schweiz bis 2030 von heute 13,4 auf 17 Prozent vergrössert werden. Dieses Ziel legt der Bundesrat in seinem indirekten Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative fest. 30 Prozent Biodiversitätsfläche entspreche 1 236 000 Hektaren Fläche – die landwirtschaftliche Nutzfläche in der Schweiz betrage 1 050 000 Hektaren. Das Ziel sei absurd, weil es die Nahrungsmittelproduktion schwäche, die Kompetenzen an den Bund übertragen werden sollen, eine grosse Einschränkung bei der Nutzung des Raums erfolgen würde und es finanzpolitisch nicht tragbar wäre, meinte Schönenberger. Deshalb wollen St. Galler Bäuerinnen und Bauern beim National- und Ständerat eine Petition einreichen, die Franziska Steiner-Kaufmann, Präsidentin der Mitte St. Gallen und Bäuerin, vorstellte.
Petition ans Parlament
In der Petition wird etwa gefordert, dass auf eine Ausweitung von Biodiversitätsförderflächen auf landwirtschaftlich genutztem Kulturland verzichtet werden muss. Stattdessen solle sich die Politik auf die Erhöhung der Qualität und der Vernetzung auf den bestehenden Biodiversitätsförderflächen konzentrieren. Den Bauern und Bäuerinnen dürfe mehr Eigenverantwortung zugetraut werden. Die Biodiversitätsstrategie des Bundes dürfe nicht isoliert in der Verwaltung geplant werden. Es müsse künftig zwingend die Praxis miteinbezogen werden, um Absurditäten zu verhindern. Ertragsminderungen und in der Landwirtschaft anfallende Mehraufwände in der Bewirtschaftung müssten abgegolten werden, ohne bei anderen Beiträgen zu kürzen. In der ganzen Biodiversitätsstrategie müssten die Flächen in den Siedlungsgebieten deutlich stärker einbezogen werden. Es könne nicht sein, dass weiterhin Steingärten angelegt werden, während die Landwirte und Landwirtinnen wertvolle Produktionsflächen hergeben müssten. Das gleiche gelte für Kantone, Gemeinden, SBB, Astra und die weiteren Bewirtschafter öffentlicher Flächen. «Ich bin überzeugt, dass die Zeichen gehört werden. Wir gehen den demokratischen Weg und nutzen unsere Möglichkeiten», betonte Franziska Steiner.
Ostschweizer Agronomen
Schliesslich berichtete Kantonsrat und Biobauer Sepp Sennhauser aus der kantonalen Landwirtschaftspolitik, unter anderem von der eingereichten Interpellation an den Kanton St. Gallen, die ein Fachhochschulangebot Agronomie in der Ostschweiz fordert. Zurzeit gebe es wenige Agronomen aus der Ostschweiz, jedoch sehr viele Umweltwissenschaftler. Es sei ein Problem, bei Ausschreibungen geeignete Fachkräfte zu finden. Die St. Galler Regierung habe sich eher zurückhaltend geäussert und sehe eine mögliche Kooperation mit dem Kanton Thurgau in Tänikon, unter Einbezug der Fachhochschule Ost. Die Thurgauer Regierung hingegen unterstütze das Vorhaben und sehe grosse Chancen in der Zusammenarbeit mit der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) der Berner Fachhochschule und der FH Ost. Bevor die Diskussion über verschiedene Themen lanciert wurde, informierte Sennhauser noch über die Revision der Schutzverordnungen. Bis 2027 müssen alle St. Galler Gemeinden ihre Schutzverordnung revidieren. Die Gemeinde Wil etwa wollte ihre Schutzgebiete massiv vergrössern. In der Folge gingen 600 Mitwirkungskommentare ein. Bei der öffentlichen Auflage habe es 160 Einsprachen gegeben. Danach seien Vollzugsrichtlinien zu Landschaftsschutzgebieten gemeinsam mit der Landwirtschaft, dem Planungsbüro und der Stadt erarbeitet worden. Diese könnten als Vorlage für andere Gemeinden genutzt werden. «Wichtig ist, dass die Landwirte kritisch sind und ihr Fachwissen und ihre Interessen einbringen und Fristen einhalten», riet Sennhauser.