Taktisch, durchdacht und kämpferisch

Urs Schneider vom Schweizer Bauernverband ist Ende November in Pension gegangen. Als stellvertretender Direktor hat er mit seinem Team die grossen Abstimmungskampagnen der letzten Jahre geleitet – und alle gewonnen.

Urs Schneider ging Ende November in Pension. Bild: zVg.
Urs Schneider ging Ende November in Pension. Bild: zVg.

Herr Schneider, Sie waren 23 Jahre Kampagnenführer des Schweizer Bauernverbands (SBV). Was war Ihr grösster Moment?

Urs Schneider: Da gibt es viele. Einer davon: Wenn man mit über 10 000 Bäuerinnen und Bauern in Bern aufmarschiert, alles reibungslos verläuft und das Parlament, statt 130 Millionen Franken Direktzahlungen zu streichen – wie es der Bundesrat vorschlug –, 90 Millionen mehr gibt, ist das eine grosse Genugtuung.

Welche Abstimmung machte Ihnen am meisten Sorgen?

Schneider: Sorgen kenne ich nicht, höchstens Herausforderungen. (schmunzelt) Die Ausgangslage bei der Trinkwasserinitiative war äusserst schwierig. Während zweier Jahre waren fast täglich negative Schlagzeilen über vergiftetes Wasser in den Medien, es lief mit «Agrarlobby stoppen» eine Diffamierungskampagne gegen den Bauernverband; wir hatten eine kapitalkräftige, fanatische Gegnerschaft.

Man sagt Ihnen nach, dass Sie strategisch durchdacht und taktisch geschickt sind. Wurden Ihnen diese Eigenschaften in die Wiege gelegt?

Schneider: Wahrscheinlich habe ich ein wenig Talent mitbekommen, aber die Ausbildung und der Werdegang waren auch wichtig. Meine wichtigsten Eigenschaften sind, Menschen zu motivieren und zu begeistern. Ich denke, dass ich das meiste in 1300 Diensttagen und während vieler Kommandojahre im Militär gelernt habe.

Wie haben Sie sich jeweils für die verschiedenen Themen und Kampagnen motiviert, und wie haben Sie die Bauern dazu motiviert?

Schneider: Ich bin auf einem kleinen Hof aufgewachsen, habe Bauer gelernt und danach Agraringenieur studiert, weil wir nach dem frühen Tod meines Vaters keinen Hof mehr hatten. Ich habe mich mit den Bauernfamilien und deren Sorgen und Freuden identifiziert. Beim Motivieren ist der Grundsatz «Führung von vorne» wichtig. Wenn man vorangeht und Präsenz an der Front markiert, wirkt das motivierend für andere, auch mitzumachen.

Sie haben bestimmt auch Kampfgeist und Ausdauer gebraucht?

Schneider: Ja, ein Kämpfer war ich in allen Belangen schon immer. Ich habe früher viel Sport gemacht. Von 2007 bis 2021 bin ich jedes Jahr einen bis drei Marathons gelaufen. Nach einer Herz-OP geht das nicht mehr, obwohl ich mich gut erholt habe.

Ihr Credo während all der Jahre: «Füsse bewegen, damit Hände zu schreiben beginnen. Was meinen Sie damit genau?

Schneider: Für die Sache der Landwirtschaft ist es am besten, wenn Bäuerinnen und Bauern authentisch auftreten und für ihre Sache einstehen und hinstehen. Erfolgreiche Kampagnen profitieren davon, wenn sich möglichst viele Menschen an der Front für etwas einsetzen. Dabei gilt auch «Führung durch Vorbild», da muss man als Verantwortlicher starke Präsenz markieren.

Im «St. Galler Bauer» sagten Sie 2021 zu den Agrarinitiativen, dass Sie noch nie eine solche Mobilisierung der Basis erlebt haben. Nicht einmal die Massentierhaltungsinitiative ein Jahr später erreichte dieses Niveau. Ihr Erfolg?

Schneider: Nein, das war nicht allein mein Erfolg. Alles, was erreicht wurde, ist das Ergebnis von Teamarbeit. Wir haben beim SBV, aber auch bei den Mitgliedsektionen überall hervorragende Leute. Bei der Trinkwasserinitiative hat die Betroffenheit jedes einzelnen Betriebs dazu beigetragen, die beispiellose Mobilisierung zu realisieren. Zudem hatten wir eine glückliche Hand bei der Bestimmung der kreativen Kampagne.

Und warum dieses Herzblut für den Bauernverband?

Schneider: Es ist ein Privileg und äussert dankbar, sich für die Bäuerinnen, Bauern, Bauernfamilien einzusetzen. Ihnen fühle ich mich wegen meiner Herkunft, meines Umfelds zutiefst verbunden. Es ist eine edle Aufgabe, sich für sie einzusetzen.

Gab es neben den politischen Geschäften andere Projekte?

Schneider: Die Lancierung der Basiskommunikation «Gut, gibt’s die Schweizer Bauern» war ganz wichtig. Die seit über 20 Jahren umgesetzte Imagekampagne bildet das Fundament für viele Erfolge. Die Kampagne mit Prominenten wie Michael Schumacher, Michelle Hunziker oder Köbi Kuhn war dabei das Herausragende. Schöne Projekte waren auch der Schweizer Partnerlandauftritt an der Internationalen Grünen Woche in Berlin (IGWB) 2008 oder die Weltausstellung Milano 2015. Der Vorstand erlaubte mir zudem, so nebenbei, das Eidgenössische Schwingfest 2010 in Frauenfeld als OK-Präsident zu organisieren. Das war das Projekt meines Lebens.

Wie sieht Ihr neues Leben aus?

Schneider: Die Funktion des stellvertretenden Direktors und die Leitung meines vielseitigen Departements fallen weg. Diverse Funktionen und Mandate aber bleiben und ich habe viele Anfragen für ein Engagement. Familie und vor allem die drei Buben meiner Tochter, Sport und Hobbys erlangen aber einen viel höheren Stellenwert. Vielleicht liegt auch die eine oder andere Reise drin.

Könnten Sie denn überhaupt stillsitzen?

Schneider: Nein. (lacht)

Wie geht es beim Schweizer Bauernverband weiter?

Schneider: Neben der Funktion als stellvertretender Direktor und der Verantwortung für Kommunikation, Marketing und Kampagnen waren mir die Geschäftsbereiche Finanzen, HR, Verwaltung, Liegenschaften, IT, Gremienbetreuung und die LBAs unterstellt. Diese Vielfalt ruft nach Entflechtung. Deshalb wird der SBV mit meinem Ausscheiden reorganisiert. Bedeutend ist, dass Sandra Helfenstein das neu formierte Departement Kommunikation und Marketing, Raphael Zwahlen den neu formierten Stab Gremien, Mitglieder, Sonderprojekte und Ursula Oberholzer den Stab Finanzen und Services leiten werden, alle hervorragende Leute.

Was wünschen Sie den neuen Verantwortlichen im SBV?

Schneider: Befriedigung, Spass und natürlich Erfolge in allen Belangen.

Interview: Rita Bolt

Urs Schneider war viele Jahre für die Leitung der grossen Abstimmungskampagnen des SBV zuständig. Bild: meg.
Urs Schneider war viele Jahre für die Leitung der grossen Abstimmungskampagnen des SBV zuständig. Bild: meg.

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