Agrophotovoltaik im Rebberg

Kürzlich wurde anlässlich der Wädenswiler Weintage der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW ein vielversprechendes Agrophotovoltaikprojekt aus Walenstadt vorgestellt. Familie Wenzin betreibt eine Solaranlage im Rebberg.

Jetzt ist es wissenschaftlich erwiesen: Die Solaranlage über den Rebstöcken hat auch für die Pflanzen darunter diverse Vorteile.
Jetzt ist es wissenschaftlich erwiesen: Die Solaranlage über den Rebstöcken hat auch für die Pflanzen darunter diverse Vorteile.

Anlässlich der Wädenswiler Weintage ging es kürzlich während zweier Tage um diverse Innovationen und Forschungsergebnisse im Weinbau und damit letztlich auch um die Zukunft des Weinbaus. Pflanzenschutz, innovative Erntemaschinen und Konsumentenwünsche wurden ebenso thematisiert, wie neue Rebsorten, darunter auch pilzwiderstandsfähige Rebsorten, Energiesparpotenzial in der Weinbereitung und diverse weitere Aspekte des Weinbaus. Die Resümees wurden von den anwesenden Fachleuten und Studierenden mit grossem Interesse aufgenommen. Anlässlich der abschliessenden Podiumsdiskussion wurde die Zukunft des Weinbaus erörtert und man stellte die Zukunft des Rebbaukatasters zur Diskussion. Im Rahmen dieser Fachtagung wurden auch die Forschungsergebnisse eines Agrophotovoltaikprojekts aus einem Rebberg in Walenstadt vorgestellt.

Bachelorarbeit in den Reben

Vor rund zehn Jahren verwirklichte die Familie Wenzin in Walenstadt die Idee, im hausnahen Rebberg einen Teil ihrer Reben mit 50 Solarpanels zu überdachen. Statt vom Dach, wollte man den Strom durch Überdachung eines Teils der eigenen Reben gewinnen. Immerhin stehen die Reben mit bester Ausrichtung zur Sonne am Hang. Ausserdem mutmasste Placi Wenzin, dass die Vorteile dieser Überdachung bei den Reben überwiegen würden. Nach Verhandlungen mit der ZHAW entstand im Jahr 2020 eine Bachelorarbeit über dieses Projekt, erstellt durch Stefan Horica. Es wurden darin drei Hypothesen aufgestellt. Der Student vermutete, dass durch den Schattenwurf der Panels der Reifeprozess der Reben verzögert eintreten dürfte. Zudem mutmasste er, dass der Befall von Falschem Mehltau geringer ausfallen würde, weil die Pflanzen bei Regen weniger nass werden. Ausserdem erwartete er, dass die Abstrahlung des Bodens vermindert und so die Gefahr von Frühjahrsfrost reduziert würde. So kam es, dass in Wenzins Versuchsfeld die Hälfte der Solarpanels wieder abmontiert wurden, um bei absolut gleichen Bedingungen einen direkten Vergleich der Reben zu ermöglichen.

Drei Jahre lang Daten ermittelt

Die Ergebnisse dieser Bachelorarbeit bestätigten Placi Wenzins Vermutungen und jene der Fachleute an der ZHAW, führend darunter Peter Schumacher. Dieser führte mit weiteren studentischen Arbeiten Erhebungen für die Jahre 2021 und 2022 durch. Mittlerweile wurden die wissenschaftlichen Ergebnisse analysiert und kürzlich anlässlich der Wädenswiler Weintage dem Fachpublikum detailliert vorgestellt. Zu den vorgängig genannten Fragestellungen der Bachelorarbeit kam nun auch noch die Ermittlung des Mikroklimas hinzu, um den Befall durch Echten Mehltau auf beiden Versuchsfeldern vergleichen zu können. Im Weiteren wollte man wissen, ob durch die Beschattung ein besseres Wachstum in trockenen Jahren begünstigt würde, weil so die Verdunstung spürbar reduziert werden könnte. Weitere Parameter wie die Bodenbeschaffenheit und die Wetterdaten flossen in diesen Versuch mit ein.

Weniger Verdunstung

Die verzögerte Entwicklung bestätigte sich in allen drei Jahren. Die Trauben erreichten tatsächlich erst circa eine Woche später ihre Reife. Dadurch wurde, wie vermutet, weniger Zucker eingelagert. Es zeigten sich je nach Jahr vier bis acht Öchslegrade weniger. Dafür entwickelten sich andere Fruchtaromen deutlicher. Schlussendlich musste festgestellt werden, dass bezüglich des Beerengewichts und der Inhaltsstoffe der Trauben kein Unterschied ersichtlich war und auch der Ertrag nicht geringer ausfiel als im Vergleichsfeld. Der Qualität der Trauben tat dies also keinen Abbruch. Über die genaue Untersuchung des Schnittholzes konnte zwar optisch ein kräftigerer Wuchs der Reben festgestellt werden. Das Schnittholzgewicht war jedoch in den Jahren 2020 und 2021 nicht markant höher. Im trockenen Jahr 2022 hingegen war das Schnittholzgewicht unter den Panels signifikant schwerer. Man erklärt sich das damit, dass vor allem die sommerliche Mittagssonne durch die Panels abgefangen wurde und die Pflanzen somit nicht der gleichen Verdunstung ausgesetzt waren wie im Vergleichsfeld.

Weniger Falscher Mehltau

Bezüglich des Falschen Mehltaus konnte ein grosser Unterschied festgestellt werden. Die überdachten Rebstöcke wurden bei Regen weniger nass und entwickelten messbar weniger Falschen Mehltau. Hingegen zeigte sich beim Echten Mehltau ein kleiner Vorteil im Vergleichsfeld ohne Panels. Die Befallshäufigkeit und Befallsstärke des Echten Mehltaus war wegen messbar höherer Luftfeuchtigkeit unter den Panels erhöht. Die Durchlüftung war ohne Panels also definitiv höher. Während der Frostnächte konnte im Dreijahresversuch nur ein geringfügiger Vorteil zugunsten der Panels ermittelt werden. Der Schutz vor Hagel konnte mangels Hagel nicht festgestellt werden. In Walenstadt hagelt es allgemein selten. Letztlich kamen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass in vergleichsweise nassen und kühlen Jahren wie 2021 die Bedachung der Reben vor übermässigem Befall von Falschem Mehltau schützte. In heissen Jahren wie dem Jahr 2022 wurde die Wuchskraft gefördert.

Die Frage, ob solche Solaranlagen wirtschaftlich sinnvoll seien und trotz ihrer Optik Zukunft hätten, blieb wissenschaftlich unbeantwortet, denn dies muss von Fall zu Fall erwogen werden. Für Placi Wenizin stand vor allem die Doppelnutzung der Fläche im Vordergrund. Er hatte für seine Agrophotovoltaikanlage im Vorfeld eine Baubewilligung beim Kanton eingeholt und nutzte die bestehende Anlage für die Montage seiner Panels.

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