Brunsterkennung im Stall
In grossen Tierbeständen muss die Tierbeobachtung nicht schlechter sein als in kleinen. Moderne Technik hilft Milchviehhaltern zu erkennen, ob eine Kuh brünstig wird und wie es um ihre Fruchtbarkeit steht. Ein Besuch auf dem Grundhof in Bözberg AG.
Nur fruchtbare Kühe haben genügend Nachwuchs. Für Landwirtinnen und Landwirte ist es wichtig, zu erkennen, ob die Kühe brünstig, das heisst paarungsbereit, werden und ob sie tragend sind.
Die Landwirtin Sabrina Schlegel melkt ihre 130 Kühe auf dem Grundhof im aargauischen Bözberg mit zwei DeLaval-Melkrobotern und stützt sich bei der Fruchtbarkeit ihrer Kühe auf zwei eingebaute Progesteronmessgeräte.
Computer meldet Brunstalarm
Progesteron ist ein weibliches Geschlechtshormon, das die Kuh nach jedem Eisprung produziert. Seine Aufgabe ist es, den Brunstzyklus zu steuern und die Trächtigkeit zu erhalten. Es wird vom Gelbkörper gebildet, der nach dem Eisprung anstelle der Eiblase heranwächst. Gegen Ende des Zyklus von 21 Tagen bildet sich der Gelbkörper zurück und der Progesteronspiegel fällt.
Das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass die Kuh bald paarungsbereit ist und der Eisprung bevorsteht. Der Computer meldet alle diese Kühe der Landwirtin. In der Regel kann sie diese etwa zwei Tage nach dem Brunstalarm besamen. Die Kühe zeigen ihre Aufnahmebereitschaft dadurch, dass sie unruhig werden, auf anderen Kühen aufreiten oder selbst besprungen werden. Fehlt dieses Brunstverhalten, so besamt die Landwirtin die Kuh etwa einen halben Tag später.
Ob der richtige Zeitpunkt der Besamung gefunden wurde, zeigt der weitere Verlauf der Progesteronkurve. Steigt der Progesteronwert und bleibt gleichmässig hoch, dann hat sich die Eizelle in der Gebärmutterschleimhaut eingenistet und die Besamung war erfolgreich. Fällt der Progesteronspiegel 15 bis 25 Tage nach der Besamung wieder ab, wurde die Eizelle nicht befruchtet.
Fällt er später plötzlich ab, dann hat die Schleimhaut den abgestorbenen Embryo absorbiert. Die Kuh kommt beide Male wieder in den Zyklus. Der grosse Vorteil des Progesterontests für die Tierbetreuerin ist, dass sie frühzeitig und deutlich erkennt, wann eine Kuh brünstig wird und ob sie nach der Besamung tragend ist. Ein Trächtigkeitstest ist nicht nötig. «Ich bin zu 100 Prozent sicher. Hormone lügen nicht», sagt Schlegel.
Rückschlüsse auf Fruchtbarkeit
Der Verlauf der Kurve gibt der Tierbetreuerin weitere Informationen, wie es um die Fruchtbarkeit steht. «Man sieht praktisch in die Kuh hinein», sagt Urs Schmid, Produktleiter bei DeLaval. Bleibt der Progesteronspiegel in der Milch dauernd hoch und macht nur kleine Wellenbewegungen, dann hat sich eine Gelbkörperzyste gebildet. Bleibt das Progesteron dagegen wellenförmig immer auf tiefem Niveau, dann hat sich eine Follikelzyste gebildet. Sie entsteht dann, wenn der Eisprung am Brunstende ausbleibt und das Bläschen auf dem Eierstock weiterwächst.
Zysten blockieren den Zyklus, aber lassen sich meist leicht durch den Tierarzt behandeln. Sie bilden sich bei einer energetischen Unterversorgung der Kuh in der Zeit des Abkalbens und stellen einen natürlichen Schutz der Kuh dar, indem sie eine weitere Trächtigkeit verhindern. Treten Zysten gehäuft auf, ist die Fütterung der Kühe anzupassen.
Tiefere Tierarztkosten
Mithilfe der Progesteronkurve erkennt die Landwirtin schon zwei bis drei Wochen nach der Besamung, ob die Kuh trächtig ist. Sie muss nicht warten, bis der Tierarzt diese frühestens sechs Wochen nach dem Abkalben untersucht. Er macht dies mittels Ultraschall oder Abtasten der Gebärmutter durch den Darm. «Wir sparen somit bei den Tierarztkosten», hält Schlegel fest. Ohne den Progesterontest ginge der Landwirtin ausserdem Zeit verloren, bis die Kuh wieder erfolgreich besamt werden und ein Kalb zur Welt bringen kann. «Die Progesteronbestimmung meiner Kühe ist für mich eine Riesenerleichterung bei der täglichen Arbeit», fasst die Landwirtin zusammen. Denn sie weiss im Voraus, wann eine Kuh brünstig wird, und kann sich auf die vom Computer gemeldeten Kühe konzentrieren, um den richtigen Besamungszeitpunkt zu finden.
Für grössere Tierbestände
Schlegel hat das Progesteronmessgerät seit fünf Monaten im Einsatz. «Ich verpasse seither keine Brunst mehr», sagt sie. Für Schlegel ist das Messgerät seinen Preis von 25 000 Franken wert. Es arbeite zuverlässig und ohne Pannen. Zur Messung des Progesterons sind Messstäbchen notwendig, welche in einer Kassette geliefert werden, die sich direkt in den Melkroboter einsetzen lässt. Hierfür rechnet die Landwirtin mit Kosten von 50 bis 70 Franken je Kuh und Jahr. Melkroboter und damit auch der Progesterontest der Milch lohnen sich in erster Linie für Betriebe mit grösseren Tierbeständen, da sich die hohen Anschaffungskosten auf viele Tiere verteilen.
Melkroboter und Progesterontest sind ein gutes Beispiel, dass grosse Betriebe auch bei der Tierbetreuung Vorteile gegenüber kleineren Betrieben haben können. Ihnen hilft der Einsatz von modernen Informationstechnologien, im Fachjargon Smart Farming genannt. Die Messung des Progesterons dürfte – wie Schlegel sagt – vor allem Landwirten eine Hilfe sein, die nicht so viel im Stall sind. Die Aufmerksamkeit des Landwirtes, die konsequente Durchsicht der Daten und die rasche Reaktion kann die Technik allerdings nicht ersetzen.
Neue Möglichkeit eröffnet
Früher haben Sabrina Schlegel und ihre Mitarbeiter die Kühe zweimal täglich in einem Melkkarussell gemolken. Erst mit der Anschaffung eines Melkroboters und dem Nachrüsten mit einem Progesteronmessgerät war es möglich, die Brunst der Kühe vorherzusagen.
Für den Melkstand oder im Anbindestall gibt es noch keine technischen Möglichkeiten, um die Hormone in der Milch zu messen. Sabrina Schlegel ist begeistert von dem, was der Melkroboter und seine Einrichtungen für Vorteile bringen. «Mit dem Melkroboter brachten wir mehr Ruhe in den Stall», sagt sie. Die Kühe können selbst entscheiden, wann sie liegen oder fressen oder gemolken werden wollen. Sie hat festgestellt, dass ihre Kühe mehr Milch geben, gesünder und robuster sind, seit die Melkroboter im Stall sind.
Dank einem zitzenindividuellen Milchmengenmessgerät und einem eingebauten «Labor» erkennt der Roboter Euterentzündungen frühzeitig und meldet diese der Landwirtin. «Wir können reagieren, bevor wir es von Auge sehen», erklärt Schlegel. Und das habe zur Folge, dass sie zur Behandlung kranker Kühe weniger Antibiotika benötige. Eine Euterentzündung im Anfangsstadium lässt sich manchmal schon durch das Einreiben mit kühlenden Gelen heilen. Der Roboter erfasst auch, ob die Kuh die ganze Ration an Kraftfutter abgeholt hat, ebenfalls Zeichen für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Kühe. Die Landwirtin beobachtet ihre Kühe nicht weniger als früher, aber sie kontrolliert diese gezielter. «Wir wollen die Tiere möglichst wenig stören», betont sie.