Aquakultur als Zukunftsnische?

Swissness ist gefragt und Fischkonsum wird als Alternative zum Fleischkonsum propagiert. Eine Kombination mit Zukunftspotenzial?

Letztes Jahr hat die Swiss Lachs AG in Lostallo insgesamt rund 97 500 Fische gezüchtet. Bilder: Swiss Lachs AG

Letztes Jahr hat die Swiss Lachs AG in Lostallo insgesamt rund 97 500 Fische gezüchtet. Bilder: Swiss Lachs AGAquakulturen haben sich auf Landwirtschaftsbetrieben bisher nicht als Zukunftsbranche erwiesen. Erfolgsmodelle bewähren sich eher ausserhalb der Landwirtschaftszonen unter Voraussetzungen der klassischen Gewerbe- und Industrieareale. Diese Standortbestimmung ist kaum ein Zufall, denn gefragt ist ein spezifisches Wissen, das nur ansatzweise mit der klassischen landwirtschaftlichen Berufsausbildung abgedeckt ist. Selbst die klassischen Forellen- oder Karpfenteiche sind auf Schweizer Höfen eher die Ausnahme. Die traditionelle Schweizer Nische mit Blick auf den Gesamtmarkt bildet die Seefischerei, oft seit Generationen in der Hand von Familienbetrieben. Ein Ausbaupotenzial ist hier aber kaum realistisch.

Gewusst, was…

Wer sich über diese beschränkten Nischenmärkte hinaus mit der Aquakultur positionieren will, sollte zuerst eines tun: sich intensiv mit der Materie befassen. Einer, der dies aus unabhängiger Warte seit vielen Jahren tut, ist Billo Heinzpeter Studer. Er gründete 2000 den Verein «fair-fish», wirkte jahrelang als Geschäftsleiter und später bis zu seinem Rücktritt 2023 als Präsident. Als Gründer der Plattform «think.fish» engagiert er sich weiter zu den Themenfeldern Fischwohl, Umweltschutz in Gewässern und fairer Handel.

Lachs ist beliebt: Lachse im Hälterungsbecken der Swiss Lachs AG.
Lachs ist beliebt: Lachse im Hälterungsbecken der Swiss Lachs AG.

Ein Grundproblem der Aquakultur in der Schweiz, sei die Konzentration auf Raubfische, so Billo Heinzpeter Studer. Diese benötigen Fisch im Futter und die artgerechte Haltung sei letztlich kaum möglich. Für einheimische Fischarten sehe die Situation kaum besser aus: «Forellen, Lachse, Egli oder Zander sind von ihrer Biologie her nicht geeignet für die Zucht», ergänzt er. Nach heutigem Wissensstand gibt es nach Einschätzung von Billo Heinzpeter Studer nur zwei Fischarten mit einem hohen Potenzial dafür, sich auch in Gefangenschaft wohlzufühlen: Tilapia, eine Gattung afrikanischer Buntbarsche, und Afrikanischer Wels.

Gewusst, wie…

Billo Heinzpeter Studer betont, dass seine kritische Haltung kein Statement gegen den Aquakulturstandort Schweiz sei: «Dass es den Schweizer Zuchtfischen nicht wirklich wohl sein kann, liegt nicht an mangelndem Engagement für das Tierwohl», erläutert er. Es liegt an der Wahl der Fischarten mit Blick auf den Markt. Man möchte die Nachfrage bedienen und eine Vielfalt der Arten anbieten, was aus Tierschutzgründen nur bedingt möglich sei. «Innovative Fischzüchter könnten gleichzeitig innovativ auf dem Markt auftreten, indem sie ihr Sortiment mit dem Angebot aus einer wirklich rücksichtsvollen Fischerei ergänzen», empfiehlt Billo Heinzpeter Studer. «Die Vielfalt an Fischen und anderen Wassertieren stammt sowieso aus den Meeren und Süssgewässern.» Und hier seien durchaus Fortschritte in Sicht.

Gemeinsam weiterentwickeln

Die von Hochschulen und Branchenakteuren lancierte Koordinationsstelle Aquakultur nimmt die Analysen und Empfehlungen von Billo Heinzpeter Studer zumindest teilweise auf. Das Ziel ist es, den Aquakultursektor in der Schweiz durch die Förderung der Koordination unter den Branchenakteuren zu entwickeln sowie Informations- und Kommunikationsbrücken zu öffnen, um bei rechtlichen, technischen, umweltbezogenen und wirtschaftlichen Herausforderungen zu unterstützen.

Die Fische werden zu feinsten Lachsdelikatessen verarbeitet.
Die Fische werden zu feinsten Lachsdelikatessen verarbeitet.

Mit einem gezielten Wissenstransfer innerhalb der Wertschöpfungskette sollen Effizienz und Nachhaltigkeit und damit die Aquakulturpraktiken optimiert werden. Jean-Baptiste Luce, Co-Direktor der Koordinationsstelle Aquakultur Schweiz, konkretisiert die Ziele: «Wir sind der Meinung, dass es ebenso wichtig ist, die Nachhaltigkeit von Aquakulturpraktiken ebenso wie das Wohlergehen der Tiere zu berücksichtigen.» Ein signifikanter Einfluss könne jedoch nur durch Veränderungen erreicht werden, welche die grossflächige Produktion betreffen. Die Förderung der Aufzucht von Arten ohne Berücksichtigung der Marktnachfrage sei jedoch nicht empfehlenswert. Dabei sei es effektiver, bewährte Verfahren für Arten mit etablierten Märkten zu fördern, indem Nachhaltigkeit, Tierschutz und Markterwägungen für einen ausgewogenen Ansatz in der Aquakultur kombiniert werden.

Jean-Baptiste Luce räumt aber auch die Zielkonflikte für die Praxis ein: «Die Beziehung zwischen Fischarten und Wohlergehen umfasst nicht die gesamte Komplexität der Situation», erklärt er. «Und ohne ausreichendes Wissen können für jede Art schlechte Aufzuchtbedingungen auftreten – gute Haltebedingungen für fleischfressende Fische in Aquakultur können mit dem richtigen Wissen und der Erfahrung in Bezug auf die Bedürfnisse der Arten erreicht werden.»

Erfolgreich und herausfordernd

Trotz aller Hindernisse vereint der Schweizerische Aquakulturverband mittlerweile über 40 Unternehmen aus der Aquakulturwelt, die immerhin 2000 Tonnen gezüchtete Fische und Krustentiere repräsentieren.

Als eines der erfolgreichsten unabhängigen Unternehmen hat die Swiss Lachs AG die Pionierphase durchstanden. Das Unternehmen spezialisiert sich auf die Produktion hochwertiger Fische und setzt innovative Zuchtverfahren ein, um das Fischwohl und minimale Auswirkungen auf die Umwelt zu gewährleisten. Ronald Herculeijns, Director Sales und Marketing bei der Swiss Lachs AG, präzisiert: «Lachs ist der beliebteste und meistkonsumierte Fisch der Schweiz – darum haben wir uns für diese Fischspezies entschieden und züchten Lachse, die frei sind von Hormonen, Antibiotika und anderen Chemikalien.» Die Technologie der geschlossenen Kreislaufanlagen sei ressourcenschonend. Sie reduziert den Bedarf an Frischwasser auf zwei bis fünf Prozent. Swiss Lachs AG zieht die Lachse nach den höchsten Qualitätsstandards auf und fokussiert sich auf Nachhaltigkeit auf allen Ebenen.

Forellen, Lachse, Egli oder Zander sind (…) nicht geeignet für die Zucht.

Seit der Lancierung 2018 wurde das Potenzial der Lachsveredelung genutzt und zusätzlich wurden eine Filetierungsstelle und Räucherkapazitäten in Lostallo aufgebaut. 2023 wurden rund 97 500 Fische gezüchtet und zu Lachsdelikatessen verarbeitet. Der Unternehmensaufbau blieb dabei nicht ohne Stromschnellen, betont Herculeijns: «Leider mussten wir seit der Lancierung vor sechs Jahren schon stürmische Zeiten durchleben – so reduzierten sich während des Coronavirus-Lockdowns die Bestellungen aus dem Fischhandel dramatisch und da die Fischhändler die Gastronomie mit Swiss Lachs beliefern, fielen während vieler Monate diese Bestellungen komplett weg.» Mehrbestellungen aus dem Detailhandel kompensierten den Ausfall nur teilweise, erfreulicherweise verdreifachten sich aber die Bestellungen im Onlineshop. «Unser Marketingfokus und unsere verkaufsstrategische Priorität liegt im Direktverkauf an Endkonsumenten, da dort die besten Margen erzielt werden», sagt Herculeijns.

2016 stand die erste Lachszucht der Schweiz noch im Bau und 2018 konnten dann die ersten Lachse «geerntet» werden, wie es in der Fachsprache heisst. Nun plant das Unternehmen bereits eine zweite Indooranlage.
2016 stand die erste Lachszucht der Schweiz noch im Bau und 2018 konnten dann die ersten Lachse «geerntet» werden, wie es in der Fachsprache heisst. Nun plant das Unternehmen bereits eine zweite Indooranlage.

Aquakultur in der Schweiz: Intelligente Förderansätze gefragt

Swissness und Aquakultur sind keine naturgegebene logische Kombination. Staatliche Fördermittel und Programme müssen sich angesichts der preis- und marktdominierenden Importprodukte auf ein beschränktes Marktpotenzial ausrichten. Best Practices in Bezug auf Tierwohlanforderungen und gesamtbetriebliche Nachhaltigkeit stellen auch aus ökonomischer Sicht die wichtigste Voraussetzung für den Markterfolg dar. Besonders wichtig sind diese Erkenntnisse mit Blick auf allfällige Direktzahlungsfördersysteme. Von Anfang an sollten sich diese konsequent an Best Practices orientieren. Ansonsten bestehen wenig Chancen zur gezielten Nischenförderung, sondern vielmehr ein grosses Risiko. pj.

 

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