Kuhsignale im Anbindestall

Viel zu lange ignorierten Betriebsleiter die Bedürfnisse ihrer Kühe. Sie sparten an Platz und Licht. Die Kuhsignale-Beraterin Martina Schmid zeigte an einer Veranstaltung der IG Anbindestall auf, wie ein Anbindestall optimiert werden kann, damit der den Ansprüchen der Kühe genügt.

Landwirtschaftliche Berater, Architekten und die Bauern selbst hatten in der frühen Vergangenheit eines gemeinsam: Sie übersahen die Ansprüche einer Kuh im Stall. Die einst fast fensterlosen Räume wurden seit den 1950er-Jahren zwar merklich aufgehellt. Geblieben ist aber lange das Ignorieren der idealen Bewegungsabläufe für eine Kuh. In keinem Stall konnte sich das Tier mit gleicher Leichtigkeit erheben wie auf der Weide. Kranke Tiere, mangelnde Fruchtbarkeit, wenig Leistung und viel Schmutz waren die Folgen. «Eine Kuh produziert Milch im Liegen. Wenn ihr das Bett gefällt, zahlt sie es dem Halter auf verschiedene Arten zurück», sagte Kuhsignale-Beraterin Martina Schmid aus Menzingen. Sie erklärte den Veranstaltungsbesuchern während zwei kurzweiligen Stunden gut verständlich und kompetent die Ansprüche einer glücklichen Kuh.

Martina Schmid hinterliess mit ihrem Wissen Eindruck.
Martina Schmid hinterliess mit ihrem Wissen Eindruck.

Erfahrungen gesammelt

Nach der Grundausbildung zur Fachfrau Gesundheit zog es die Bauerntochter Martina Schmid zurück in die Landwirtschaft. Sie bildete sich zur Landwirtin aus und absolvierte anschliessend das Agronomiestudium. In den ersten Kindheitsjahren ist Martina Schmid selbst mit einem Anbindestall gross geworden. Dieser war aber aufgrund des neu erstellten Laufstalls nur noch eine Kindheitserinnerung.

Sei es in einem Laufstall oder Anbindestall, wichtig ist es, die Kuh zu verstehen.

«Einst besuchten wir Studierenden einen gut optimierten Anbindestall, der in mir augenblicklich ein grosses Interesse auslöste.» Die junge Frau erkor die Optimierung eines Anbindestalls zum Thema der geforderten Bachelorarbeit. Zahlreiche Stallbesuche folgten. Das Vorgehen von Kuhsignal-Trainern in Holland interessierte sie. Mittlerweile spielt es Martina Schmid als Beraterin keine Rolle mehr, wo die Kuh gehalten wird. «Sei es in einem Laufstall oder Anbindestall, wichtig ist es, die Kuh zu verstehen.» Martina Schmid praktiziert an verschiedenen Orten, unter anderem auch als Aushilfe auf Alpen. «Dort ist man den Kühen am nächsten. Wer ihre ‚Worte‘ da nicht versteht, wird dreimal mehr laufen.» Dank Theorie und Praxis baute sie ein grosses Wissen auf und referierte so am vergangenen Freitag vor den Interessierten im «Haus der Freiheit» in Ebnat-Kappel klar und sachlich.

Sechs Freiheiten der Weide

Für Tierhalter gilt ein Grundgedanke: Die Tiere sollen sich im Stall genauso wohlfühlen wie auf der Weide. Sechs Punkte sind dabei zu berücksichtigen: Futter, Wasser, Luft, Licht, Ruhe und schliesslich Raum, der bedeutendste von ihnen. Bilder einer aufstehenden Kuh zeigten die drei wichtigsten Körperteile bei diesem Vorgang. Es sind dies die Nase, das Brustbein und die Hüfte. Eine Hebelwirkung entsteht, wenn die Kuh ihren Kopf mit Schwung nach vorne wirft, um ihre hintere Körperhälfte aufzustellen. Dafür braucht es Platz. «Die aktuell vorgeschriebenen Lagerlängen sind völlig ausreichend. Aber ungünstige Krippen, Wände oder Trennbügel verhindern einen natürlichen Bewegungsablauf.» Vorne müsse eine Kuh ausreichend Platz haben, nicht hinten. Eine Kuh wolle fressen oder liegen. Also soll sich das Tier auch freuen auf sein praktisches und komfortables Bett. Sie lege sich gerade zur Krippe hin und gebe somit ihren Kameradinnen ebenfalls Platz. Gummilappen als Krippholz oder Ketten anstelle einer Spreizkettenanbindung könnten schon eine klare Verbesserung bringen. Ein Futtertisch statt einer Krippe sei ebenfalls eine grosse Erleichterung. Das damit begünstigte Wegwerfen von unpassendem Futter durch die Kuh könne mit verschiedenen Massnahmen vermindert werden.

Luft und Licht

Als optimal bezeichnete Martina Schmid das Herrichten eines mindestens 20 Zentimeter dicken Strohbetts als Liegefläche. Dieses bringe zwar nicht weniger Arbeit für den Tierhalter, werde aber mit Leistung und guter Gesundheit zurückbezahlt. Ein Strohbett für die Kuh ergibt Mist und erheblich weniger Gülle, was den Anfall von Ammoniak vermindert. So herrscht ein angenehmeres Klima für die liegende Kuh. Offene Fenster oder Windschutznetze an der Südseite des Stalls können die Stallluft ebenfalls optimieren. «Die optimalsten Luftqualitäten erreichen wir mit Luft-Tubes. Diese Schläuche, die Heizungsschläuchen in Festzelten ähneln, sind aber ziemlich teuer.» Wenige winzige Fenster waren einst gang und gäbe im Stallbau. Jetzt sind sowohl neue Lauf- als auch Anbindeställe meistens gut lichtdurchflutet. «Bei älteren Ställen bringt das Weisseln wohl noch eine respektable Aufhellung.» Es gibt auch Viehhalter, bei denen eine Zeitschaltuhr morgens um 5 Uhr das Licht einschaltet und am Abend erst um 21 Uhr abschaltet. Licht steuert den Hormonhaushalt der Tiere und ist daher ein wichtiger Punkt bezüglich Gesundheit.

Die Anwesenden hörten der Kuhsignale-Beraterin aufmerksam zu.
Die Anwesenden hörten der Kuhsignale-Beraterin aufmerksam zu.

Wasser und Ruhe

Milchkühe benötigen bis 200 Liter Wasser pro Tag. Bietet das Tränkebecken zu wenig Menge, beginnt das Tier, Wasser zu vergeuden, oder die «Nachbarin» stört die Trinkende infolge des eigenen Bedürfnisses nach Flüssigkeit. Das deutlichste Kuhsignal sind schlürfende Kühe. Kommt nicht genügend Wasser, frisst die Kuh automatisch weniger und die Milchleistung sinkt. Nebst ausreichendem Nachfluss bei den Tränkebecken ist ein laufender Brunnen im Auslauf ideal. Zu kurze Schwanzschnüre sind für eine Kuh ein Hindernis. Mit dem zu kurzen Anbinden der Schwänze wird die Durchblutung der letzten Wirbelpartie abgedrückt. Ein wichtiger Punkt für stressfreie Kühe ist ein trittsicherer Stallgang. Hier hat sich der kostengünstige Rasenteppich als ideale Lösung bewährt.

Abkalbebox vermindert Stress

Ein Kuhtrainer, wenn überhaupt nötig, soll auf das Wohl der Kuh angepasst montiert werden. Eine angenehme Beschäftigung für die Tiere bietet eine Bürste im Laufhof. Wenn irgendwie möglich, ist eine Abkalbebox auch im Anbindestall eine Erleichterung. Wichtig dabei ist, dass die bald gebärende Kuh auch liegend die anderen Tiere im Stall sehen kann. So vermindert sich der Stress und eine leichte Abkalbung ist wahrscheinlicher. Martina Schmid erzählte mit viel Fachwissen. In ihrem Vortrag kam nie Langeweile auf.

Das missliche Winterwetter verhinderte einen grösseren Publikumsaufmarsch. Aber jene, die anwesend waren, genossen die Vorführung und beteiligten sich auch danach mit grossem Interesse an der Fragerunde und Diskussion. Michael Schum, Ansprechpartner Ostschweiz der IG Anbindestall und Organisator der Veranstaltung, bedankte sich herzlich bei der Referentin und wünschte allen eine gute Heimkehr.

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