Bald beginnt ein neues Fuchsjahr

Im Kanton St. Gallen dezimierte sich der Fuchsbestand 2020 durch die Staupe. Nun scheint er sich wieder zu erholen. Auf den Fährten des teils beliebten, teils unbeliebten, aber auf jeden Fall schlauen Wildtiers.

Schon bald sind die Fuchswelpen wieder auf Entdeckungstour. Bild: zVg.

Im Bazenheider Cholberg findet der Fuchs ideale Lebensbedingungen. Die Temperaturen sinken, der Schnee ist Ende November in Reichweite. Alles in Winterstarre. Doch das täuscht: Im Januar und Februar beginnt bereits die Paarungszeit der Füchse – ein neues «Fuchsjahr» bricht an. «Er bevorzugt eine strukturreiche Umgebung. Kulturlandschaften, Wald und Weide», erklärt Wildhüter Matthias Müller. Generell trifft man ihn bis auf 2500 Meter über Meer an. Auf seinem Speiseplan stehen hauptsächlich Mäuse, Abfälle, Beeren und weitere pflanzliche Nahrung. Heikel ist er aber nicht. Auch Aas verschmäht er nicht. «Er ist sehr anpassungsfähig, ein sogenannter Kulturfolger», erklärt Matthias Müller. Das bedeutet, er lässt sich nicht aus dem Lebensraum verdrängen, sondern passt sich an. In der Stadt Zürich leben alleine 1000 Füchse. Eine relativ hohe Dichte. Dort ernährt er sich von Siedlungsabfällen.

Das Futter «abholen»

Er kann auch zum Problem werden, wenn er seine Scheuheit verliert. Gefördert wird das, wenn er einfach zu Futter kommt: Katzenfutter, Kompost oder eben Abfallsäcke. Oder wenn die Leute versuchen, ihn mit Futter sogar zu zähmen. Wobei Matthias Müller erklärt, dass das nicht klug ist, da es so auch zu Zwischenfällen kommen kann. Einmal eine Futterquelle gefunden, schaut er regelmässig nach. Er lernt, dass er keine Angst vor Menschen haben muss und diesen nicht auszuweichen hat. Er wird von den Menschen nicht mehr so intensiv bejagt wie früher, im Siedlungsgebiet schon gar nicht. Jäger schiessen nicht mehr so viele Füchse wie früher; ein Grund dafür ist auch der Pelzpreis, der von 50 bis 100 Franken (1930) auf fünf Franken (2022) sank. Neben den «Jöö, so herzig, ein Fuchs»-Menschen gibt es auch Bewohner, die den Fuchs nicht im Siedlungsgebiet haben wollen. Matthias Müller hat es mit beiden Sorten zu tun. Vielfach kann er Entwarnung geben. Ein tagaktiver Fuchs muss zum Beispiel nicht unbedingt krank sein. Da er keine menschlichen Gefahren zu fürchten hat, passte er seinen Tagesrhythmus an und ist Tag und Nacht unterwegs. Doch wann ist ein Anruf beim Wildhüter berechtigt? «Wenn der Verdacht besteht, dass ein Fuchs verletzt oder krank ist», antwortet Matthias Müller. Ein Anzeichen von Krankheit kann sein, dass er nicht mehr flüchtet, wenn man sich ihm nähert. Aber auch ein struppiges Fell, Lichtscheuheit oder Abmagerung können auf Krankheit hinweisen.

Krankheit und Strassenverkehr

Der Fuchs hat praktisch keine natürlichen Feinde. Der Wolf, der Luchs oder der Steinadler gelten als Beutegreifer, die Füchse erbeuten, dennoch aber keinen grossen Einfluss auf den Bestand haben. Alle drei sind im Raum Toggenburg und Neckertal verbreitet. Die häufigste Todesursache ist der Strassenverkehr und Krankheiten. In der St. Galler Jagdstatistik 2021 ist aufgeführt, dass es beim Rotfuchs 738 Fallwildfälle gab: Darunter 202 Krankheit/Schwäche und 375 Strassenverkehr. 2020 gab es einen regelrechten Staupe-Seuchenzug durch den Kanton St. Gallen und dieser dezimierte die Population deutlich. «Langsam ist sich der Bestand wieder am Erholen», weiss Matthias Müller aufgrund von Sichtungen. Die Fuchsräude ist nach wie vor ein Thema. «Allgemein kann man sagen, dass der Bestand einer Wellenbewegung folgt. Wenn der Bestand hoch ist und eine Krankheit sich ausbreitet, dann bricht der Bestand eher wieder ein, erholt sich aber wieder relativ schnell», weiss Matthias Müller.

Krankheiten wie die Staupe lassen Füchse elendiglich leiden und sterben. Bild: zVg.
Krankheiten wie die Staupe lassen Füchse elendiglich leiden und sterben. Bild: zVg.

Kollege und Nicht-Kollege

Die Nase des Fuchses ist fein justiert, auch wenn seine Nase oft im stinkigen Müll steckt und man denkt, da muss man doch jeglichen Geruchsinn verloren haben. Luchs-Geruch mag er gar nicht, Hunde auch nicht. Katzen greift er nicht an, er macht aber eher einen Bogen um die kleinen Raubtiere. Dachse sind ganz in Ordnung; immerhin teilt er auch den Fuchsbau mit ihnen, wenn die Höhle genug gross ist. Dass der Fuchs Luchse nicht mag, zeigt die Erfahrungen des Wildhüters. «Es ist üblich, dass wir eine Fotofalle installieren, wenn wir den Verdacht haben, es handle sich bei einem toten Reh um einen Luchsriss», erklärt Matthias Müller. Bei diesen Fotofallen tappten auch schon Füchse rein. Und was die Aufnahmen zeigten: Sobald sie den Luchs wittern, werden sie unsicher und gehen wieder.

Im gut geschützten Fuchsbau wachsen die zunächst blinden Jungen auf.
Im gut geschützten Fuchsbau wachsen die zunächst blinden Jungen auf.

Paradies und Todesfalle

Beim Betreten des Bazenheider Fuchsgebietes Cholberg hat Matthias Müller keine Fotofalle dabei, dafür seinen Bayrischen Schweisshund Banjo, der pflichtbewusst den Holzweg auf Fährten absucht. Das Gebiet ist exemplarisch für das Fuchsleben. Das steile Tobel bietet dem Fuchs den idealen Lebensraum – mittendurch führt das Viadukt der H16. Eine grössere Höhle liegt unter einem imposanten Baumstumpf. Ein frisches Fuchsweglein lässt darauf schliessen, dass die Tiere schon am «Einrichten» der Höhle sind. Die Fuchsfamilie lebt nur während der Jungenaufzucht im Bau, ansonsten haben sie Tagesunterschlüpfe, wie alte Scheunen oder Bretterbeigen. Die Tragzeit der Fähe beträgt 50 Tage. In dieser Zeit steigt der Nahrungsbedarf. Auch wenn die drei bis sechs Jungen zur Welt kommen, muss mehr Nahrung her. «Früher dachte man immer, der Fuchsrüde übernehme keine Aufgaben bei der Aufzucht; heute weiss man, dass er auch Nahrung beschafft und diese in den Bau trägt», erzählt der Bazenheider. In dieser Zeit kann es auch sein, dass die Füchse frecher werden und mehr Risiken eingehen. Ein Eindringen in ein Kleintiergehege oder in einen Stall ist keine Seltenheit. Von März bis Mitte Juni gilt eine Schonfrist bei den Füchsen. Im Frühsommer lernen die Jungfüchse die Eigenständigkeit. «Junge Füchse sind neugierig, frech und verspielt. Sie haben noch keine Erfahrungen mit dem Menschen gemacht», gibt der Wildhüter Aufschluss. Die Füchse leben in Familiengruppen, sind aber nicht so organisiert wie Wölfe. Gejagt wird alleine. Im Spätherbst verlassen vor allem die jungen Rüden die Familie, um ein eigenes Revier zu erkunden. Von Frühling bis Herbst lernen die schlauen Jungtiere eine Menge: Ums Haus gibt es lustige Spielsachen zum Mitnehmen, der Bewegungsmelder ist ungefährlich, der Inhalt der grossen schwarze Säcke ist lecker, die Töne der Abwehrgeräte sind lästig, aber nicht hinderlich; Menschen sind nicht gefährlich. Wer seine Kleintiere schützen möchte, ist am besten mit einem Elektrozaun, einem Massivgehege oder einem automatisierten Wassersprinkler beraten. Eine Luchs als Haustier zu halten, davon wird bei der Fuchsabwehr abgeraten.

Wildhüter Matthias Müller kennt die Lebensräume der Toggenburger Füchse gut.
Wildhüter Matthias Müller kennt die Lebensräume der Toggenburger Füchse gut.

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