Der Weg zur Pferdefachfrau
Anna Vock hat auf dem Gelände des grossen Ausbildungs- und Pensionsstalls BVG in Grüningen ZH ihre dreijährige Lehre als Pferdefachfrau in der Fachrichtung Pferdepflege absolviert. In einem weiteren Lehrjahr spezialisiert sie sich nun zusätzlich in der Fachrichtung Klassisch Reiten.
Für viele beginnt die Leidenschaft für Pferde in der Kindheit, so auch bei Anna Vock. «Mein Stiefvater hatte Pferde», erinnert sie sich, «aber den Beruf hatte ich relativ lange gar nicht auf dem Schirm.» So kam die Entscheidung, den Beruf der Pferdefachfrau zu erlernen, auch nicht über Nacht. Nachdem ihr Stiefvater die Pferde verkaufte, half Anna Vock regelmässig in einem Stall im Nachbardorf, was ihre Begeisterung für die Arbeit mit Pferden verstärkte. «Irgendwann habe ich fast jeden Tag dort ausgeholfen und bin nach der Schule jeweils direkt in den Stall», erzählt sie.
Am Anfang half sie vor allem beim Misten, putzte Pferde und bereitete diese für die Reitstunde vor. «Ich durfte dann auch immer öfter reiten und irgendwann sogar selbst Gruppenstunden für die Kleinen geben», erläutert Anna Vock. Da habe sie das erste Mal gemerkt, dass es sich lohne, viel Einsatz zu geben, weil man auch etwas zurückbekomme. Ihre Bereitschaft, sich einzubringen und zu lernen, ebnete schliesslich den Weg für ihre berufliche Laufbahn.
Professioneller Einstieg
Die Ausbildung zum Pferdefachmann oder zur Pferdefachfrau mit Eidgenössischem Fähigkeitsausweis ist umfassend und verlangt ein breites Wissen sowie Fertigkeiten in der Pflege, im Training und im verantwortungsvollen Umgang. Die erlernten Fähigkeiten werden dann mit schwerpunktspezifischen Fachkompetenzen ergänzt.
Während der Grundausbildung entschied sich Anna Vock für die Spezialisierung in der Fachrichtung Pferdepflege – die Grundlage für den erfolgreichen Reitsport. Nach dem Bestehen der dreijährigen Lehre hängte sie ein weiteres Lehrjahr an und macht nun noch die Ausbildung in der Fachrichtung Klassisch Reiten. Damit ist sie für das tägliche Reiten und Trainieren der Pferde mitverantwortlich und hilft bei der Ausbildung der Pferde für pferdesportliche Veranstaltungen mit. Eine Wahl, die es ihr nicht nur ermöglicht, ihre Reiterfähigkeiten zu vertiefen, sondern auch ihre persönlichen Ziele zu verfolgen.
Lange Tage und dicke Haut
Anna Vocks typischer Arbeitsalltag beginnt mit dem frühmorgendlichen Misten der ihr zugeteilten Pferdeboxen, gefolgt von der intensiven Betreuung und dem Training der Pferde: «Zu Beginn der Lehre war ich für drei Pferde zuständig – heute sind es an einem lockeren Tag fünf oder sechs und an einem strengen Tag sogar neun Pferde», erklärt Anna Vock. Die Betreuung der ihr zugeteilten Pferde beinhaltet das Pflegen, Füttern, Bewegen und Reiten der Pferde. Wenn dazwischen noch Zeit bleibt, hilft sie bei weiteren Stall- und Umgebungsarbeiten mit oder führt Pferde in den Paddock, auf die Weide oder in die Führanlage. Dieser straffe Zeitplan erfordert Disziplin, Zeitmanagement und körperliche Ausdauer.
So sind die physischen und emotionalen Anforderungen des Berufs nicht zu unterschätzen: Lange Tage und die Arbeit bei jeder Witterung gehören zum Alltag. «Es ist ein taffer Job», gesteht Anna Vock und ergänzt: «Das macht auch Leute in der Branche taff – man wird nicht mit Samthandschuhen angefasst.» Das hänge wohl damit zusammen, dass sich Pferdefachpersonen um grosse und enorm starke Tiere kümmerten und sich durchsetzen müssen. «Man muss sich eine dicke Haut zulegen und braucht im Umgang mit den Pferden gleichzeitig enorm viel Einfühlungsvermögen und Respekt, damit man das Vertrauen der Tiere gewinnen kann und mit ihnen arbeiten kann», meint Anna Vock.
Die facettenreiche Welt
Doch trotz der Herausforderungen macht Anna Vock der abwechslungsreiche Arbeitsalltag grosse Freude. «Ich würde zwar lügen, wenn ich sagen würde, dass die Stallarbeit wie Misten zu meinen Lieblingsaufgaben zählt, aber es gehört einfach dazu und ich finde es nicht schlimm», sagt sie lachend. Aber insbesondere die Ausbildung junger Pferde und das Reiten und Trainieren der Pferde bis hin zur spezialisierten Ausbildung in klassischem Reiten sind für sie besonders erfüllende Aspekte ihrer Arbeit. «Ich reite ein paar Pferde, denen muss oder darf ich etwas beibringen», erklärt Anna Vock. «Für meine eigene Ausbildung darf ich aber auf den erfahrenen Wallach Jay Jay von meiner Chefin zählen, der mir die besonders schwierigen Sachen wie Tempi-Wechsel oder Pirouetten beibringt», ergänzt sie. Gerade Reiterinnen und Reiter, die selbst noch lernen, würden von einem erfahrenen Pferd mehr profitieren, als wenn das Pferd selbst noch lernen muss, erläutert die junge Frau weiter.
Die Ausbildung könne sie später im Berufsalltag verschieden ausleben, erklärt Anna Vock. «Die Bandbreite der Möglichkeiten reicht von der Arbeit in Reitschulställen bis hin zur Spezialisierung auf die Ausbildung von Jung- oder Sportpferden – alles abhängig von den eigenen Ambitionen», meint Anna Vock. Der Beruf bietet mit der EFZ-Berufsprüfung zur Spezialistin / zum Spezialisten der Pferdebranche mit eidgenössischem Fachausweis oder mit der Höheren Fachprüfung zur Expertin / zum Experten in Pferdemanagement mit eidgenössischem Diplom auch Weiterbildungsmöglichkeiten. An Fachhochschulen gibt es Studiengänge in verwandten Bereichen, wie beispielsweise dem Bachelor of Science in Agronomie mit Vertiefung in Pferdewissenschaften.
Pferdefachperson EFZ
Die Lehre Pferdefachperson EFZ und Pferdewartin/Pferdewart EBA startet ab dem Schuljahr 2024/2025 mit einer revidierten Bildungsverordnung. Während sich der Beruf bis anhin in die sechs Fachrichtungen Pferdepflege, Klassisches Reiten, Westernreiten, Gangpferdereiten, Pferderennsport und Gespannfahren gliederte, wird die Ausbildung neu ohne Fachrichtungen, sondern mit den Schwerpunkten Betreuung und Dienstleistung, Klassisches Reiten, Westernreiten, Gangpferdereiten, Gespannfahren und Pferderennsport geführt. lid.