Eringer, die Königinnen der Bergweiden

Fleisch, Milch, Kampf – Eringer sind Dreinutzungskühe. Ihr Bestand macht 0,8 Prozent des gesamten Schweizer Viehbestands aus. Ausserhalb der Walliser Grenze gibt es knapp 100 Zuchtbetriebe. Einen von ihnen führt Familie Hüppi.

Die Kühe haben einen sehr guten Mutterinstinkt. Fremde sollten den Kälbern nicht zu nahekommen.
Die Kühe haben einen sehr guten Mutterinstinkt. Fremde sollten den Kälbern nicht zu nahekommen.

Der Betrieb von Ursi und Ueli Hüppi liegt in Rüeterswil. Ihr Bergbetrieb ist umgeben von Weiden und Wald. Raue Kuhstimmen rufen durch die Hügellandschaft, sie erinnern an das Röhren von Hirschen. Vor wenigen Minuten liess Ueli Hüppi seine Eringerkühe mit den Kälbern auf die Weide. Nachts bleiben sie im Stall. Zu oft mussten Hüppis ausgebüxte Kälber suchen. Mit ihren behornten Köpfen traktieren die kräftigen Tiere den Boden, reissen ganze Erdstücke aus. «Das lieben sie, besonders wenn die Erde feucht ist. Manchmal sieht das Feld aus wie geackert», weiss Ursi Hüppi. Eine Kuh baut sich vor den Besuchern auf – stolz hebt sie ihren Kopf. Das Sonnenlicht lässt ihr schwarz-bronzenes Fell glänzen. Die kräftige Schulterpartie und der breite Rücken machen Eindruck. Die Beine sind etwa 30 Zentimeter kürzer als bei anderen Kühen – ideal im steinigen Gebirge. Zurecht werden Eringer als die Königinnen der Alp- und Bergweiden betitelt.

Ursi und Ueli Hüppi züchten seit 17 Jahren Eringer.
Ursi und Ueli Hüppi züchten seit 17 Jahren Eringer.

Schwieriger Start

2007 kaufte Ueli Hüppi seine ersten beiden Eringerkühe. Doch von diesen beiden leben keine Nachkommen auf dem Betrieb. Sie bekamen je ein gesundes Stierkalb. Ursi Hüppi erinnert sich: «Im Winter gingen wir mit ihnen spazieren. Die beiden waren handzahm und von uns auch verwöhnt.» Vielleicht war die zu gute Fütterung der Grund, dass beide Kühe kein zweites Mal trächtig wurden. In Schübelbach erstanden Hüppis eine weitere Kuh mit Kalb. Dreimal erkrankte das Kalb an Lungenentzündung. Die Mutter verunfallte im Klauenstand und wurde bösartig. Trotz des schwierigen Startes investierten Hüppis ein weiteres Mal, endlich mit Erfolg. Die heutige Herde ist 35 Tiere stark. Der Stall ist ausgelastet. Mit der Aufzucht von fremden Rindern hat die Familie aufgehört. Zu wenig Platz.

Die Kühe lieben es, den feuchten Boden mit Hörnern und Klauen aufzureissen.
Die Kühe lieben es, den feuchten Boden mit Hörnern und Klauen aufzureissen.

Starker Kampfgeist

Die Tiere seien nicht aggressiv gegen Menschen, erklärt Ursi Hüppi. Ihre Tochter Tamara fügt hinzu: «Man kann gut im Stall ausmisten, auch wenn die Tiere dort sind. Sie sind ruhig und schlagen kaum.» Auch wenn Hüppis ihre Tiere als friedlich gegenüber Menschen bezeichnen, sollten Fremde die Weide nicht betreten. Unter ihresgleichen sind die Kühe knallhart. Ihre Rangordnung ist stark ausgeprägt, täglich kommt es zu Kämpfen. Dadurch können auch heikle Situationen für Menschen entstehen, wie sich später noch zeigen wird. Ueli Hüppi erzählt von einem Gallowaystier, den er mit der Herde mitlaufen lassen wollte: «Die Kühe attackierten ihn übelst. Wir mussten den Stier aus der Weide nehmen. Der arme Kerl hatte keine Chance.» An den Kuhkämpfen im Wallis nimmt die Familie Hüppi nicht teil, der Transport wäre für ihre Tiere zu weit. Trotzdem hat sich durch die Eringer der Kontakt mit dem Wallis verstärkt. Da Hüppis Mitglieder des Schweizerischen Eringerviehzuchtverbands sind, reisen sie mindestens jedes dritte Jahr ins Wallis an die Generalversammlung. Gemäss Verbandsstatuten ist das Pflicht.

Familie Hüppi führt ihren Betrieb im hügeligen Goldingertal.
Familie Hüppi führt ihren Betrieb im hügeligen Goldingertal.

Weidpflege à la Eringer

Zum Familienbetrieb gehören zwei Standorte in der Bergzone eins und zwei. Gesamthaft bewirtschaften Ursi und Ueli Hüppi 31 Hektaren im Nebenerwerb. Bis vor einigen Jahren bauten sie Silomais an. Der Mais sorgt für ein gutes Wachstum der Kälber. Die Kühe bekommen nur Heu, Emd und Grassilage. «Sonst werden sie zu dick und haben Mühe mit der Trächtigkeit», weiss Ueli Hüppi. Er bezeichnet seine Kühe als gute Aufräumer. Kein Busch oder Strauch ist vor ihnen sicher. Die Weidpflege erübrigt sich. Gleichzeitig vertritt er die Meinung, dass seine Eringer für steiles Gelände nicht ideal sind. «Sie sind schwer. Ich schätze, die Kühe erreichen bis 800 Kilo.» Er erinnert sich an ein Rind, das nach mehreren Versuchen nicht trächtig wurde. Schliesslich musste es geschlachtet werden. Das Schlachtgewicht betrug 440 Kilo. Das Fleisch der Eringer erinnert im Aussehen an Wildfleisch und enthält wenig Fett. Besonders das Trockenfleisch sei fantastisch, schwärmt Ursi Hüppi. Im Bekanntenkreis vermarkten Hüppis Mischpakete à 10 Kilo. Die meisten Rinder werden über den konventionellen Kanal abgesetzt.

Morsche Bäume werden kurzerhand zu Boden gedrückt. Dieser hier hält noch stand.
Morsche Bäume werden kurzerhand zu Boden gedrückt. Dieser hier hält noch stand.

Plötzlicher Kampf

Um die Kühe mit ihren Kälbern zu locken, benutzen Hüppis hartes Brot. So auch für das Fotoshooting. Als die Eringer Ueli Hüppis Stimme und das vertraute Klopfen des Brotes im Kessel erkennen, eilen sie sofort zu ihm. Er wirft einige Brotstücke über den Zaun. Alle seine Weiden sind mit zwei Litzen eingezäunt. Die Kälber sollten dadurch weniger abhauen. Doch die Kleinen sind nicht gleicher Meinung. Oft müssen Hüppis die Kälber im nahen Wald suchen. Deshalb trägt jedes der Kälber ein Halsband mit Schelle. In das Gespräch vertieft, hebt die Journalistin gerade ihre Kamera und will losknipsen. Da passiert es. Eine rangtiefe Kuh drängt sich vor zum beliebten Brot. Das passt einer anderen gar nicht. Mit voller Wucht rammt diese gegen den Bauch der Vordrängenden. Diese fällt auf die Seite, ihre Herausforderin drückt sie durch die Abzäunung. Hüppis und die Journalistin springen auf die Seite. Beide Kühe sind nun auf den Beinen und beginnen den Kampf. Diese Kraft, diese Wucht. Für jemanden, der das noch nie live miterlebt hat, ist das eindrücklich. Mit bestimmter Stimme beordert Ueli Hüppi seine Kühe wieder auf die Weide und beginnt, den Zaun zu flicken. An der Bauchseite der Unterlegenen sieht man eine Hornverletzung von etwa 40 Zentimetern. Für Hüppis nichts Aussergewöhnliches. «Das Kämpfen gehört zu dieser Rasse.»

Das Gedränge in der Nähe von Ueli Hüppi kurz vor dem Kampf.
Das Gedränge in der Nähe von Ueli Hüppi kurz vor dem Kampf.

 

Die Dreinutzungsrasse

Ursprünglich gelangten Eringer mit den Römern 3000 Jahre vor Christus ins Wallis. 1884 wurden sie als eigenständige Schweizer Rasse anerkannt. Während der Weltkriege schrumpfte ihre Population stark. Die Eringer konnten mit den steigenden Milch- und Fleischleistungen anderer Rinderrassen nicht mithalten. Heute ist die Population mit 13 000 Tieren stabil. Etwa 88 Prozent der Züchtenden kommen aus dem Wallis. Dort gelten sie als Statussymbol und werden als Dreinutzungsrasse bezeichnet. Die durchschnittliche Milchleistung der Eringer liegt bei 3300 Kilo pro Laktation. Die Kälber erreichen Tageszunahmen von etwa 1100 Gramm. Die dritte Nutzung ist der Kampf. Die Kuhkämpfe sind für Eringerzüchter von grosser Bedeutung und beeinflussen die Zucht. cbd.

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