Faszination Falknerei – von der Kunst, mit Vögeln zu jagen
Steven Diethelm betreibt mit seiner Lebenspartnerin Daniela Fleischmann in Siebnen, eine Falknerei und eine Vogelpflegestation. Der Falkner referierte bei einem Weiterbildungsmorgen der Thurgauer Jagdaufseher im Forsthof Mittelthurgau in Weinfelden über die Beizjagd.
Seit 23 Jahren jagt Steven Diethelm im Revier Uznach, wo er seit einigen Pachtperioden auch Mitpächter ist und von seinem Deutschen Drahthaar-Jagdterrier Jecko vom Kronawetberg begleitet wird. Mit der Falknerei begann der 53-Jährige eigentlich schon mit sechs Jahren, als er einen Wellensittich trainierte, bis der Vogel ihn auf dem Schulweg begleitete. Dann kamen exotische Vögel und grössere Papageien hinzu und es ging weiter mit Krähen, Sperber, Turmfalken und Kolkraben, bis er anfing, mit Greifvögeln zu arbeiten. Nach der Jagdprüfung hat er den Abschluss in der landwirtschaftlichen Schule und eine Ausbildung in Feldornithologie gemacht.
Klar geregelt und kontrolliert
Der Begriff Falknerei umschreibt die Arbeit mit Greifvogelarten, wobei die Beizjagd der Teilbereich davon ist, in dem es um die Jagd mit Beizvögeln geht. Diethelm erklärte, dass in der Schweiz das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) das Bewilligungsverfahren zur falknerischen Haltung von Greifvögeln regelt, wobei der Vollzug den Kantonen untersteht. Gemäss der eidgenössischen Tierschutzverordnung von 2008 benötigt man für die Haltung von Greifvögeln eine kantonale Haltebewilligung nach eidgenössischem Jagdgesetz und eine fachspezifische berufsunabhängige Ausbildung über Greifvögel. Das BLV verlangt dazu einen theoretischen Kurs von 40 Stunden und eine zusätzliche Praktikumszeit von drei Monaten. Wo die Beizjagd erlaubt ist, sind Jagdprüfung und Falknerprüfung Pflicht. In den Revier- und Patentkantonen braucht es zudem das Einverständnis der Revierpächter oder Jagdbehörden. Diethelm betonte, dass es für die Beizjagd auch eine artgerechte Voliere und vor allem viel Zeit, Geduld und Ausdauer brauche. Für die Ausbildung und die benötigten Bewilligungen müsse man drei bis fünf Jahre einrechnen. «Man sollte sich bei den Behörden wie Jagdverwaltung und Veterinäramt vorstellen und man darf nicht irgendetwas wursteln, sonst wird von oben herab der Riegel vorgeschoben», sagte der Falkner, der in den letzten 30 Jahren noch nie Probleme mit den Behörden hatte.
Training mit dem Federspiel
Steven Diethelm erklärte, dass das Abrichten eines Beizvogels nicht mit einer Dressur eines Hundes zu vergleichen ist und dass man mit einem Vogel mehr eingebunden ist. Die wichtigste Voraussetzung ist das Vertrauen zwischen Beizvogel und Falkner. Er führte weiter aus, wie beim Training mit einem Federspiel das harmonische Zusammenspiel von Mensch und Vogel geübt wird. An einer etwa zwei Meter langen Schnur wird ein mit Federn bestücktes Kissen als Beuteattrappe mit einem Stück Atzung (Futter) befestigt und über dem Kopf des Falkners kreisförmig geschwungen. Der Vogel erkennt diesen Vorgang auch aus grösserer Entfernung als Signal zur Rückkehr, wofür er vom Falkner belohnt wird. In der Schweiz erfolgt die Beizjagd nur auf Krähen, um mit einer Dezimierung ein gesundes Gleichgewicht zu schaffen. Greifvögel werden auch eingesetzt, um Vogelschwärme von Gebäuden zu vertreiben oder auf Flughäfen Kollisionen von Flugzeugen mit Vögeln zu vermeiden.
Gut vorbereitet auf die Beizjagd
Bei der Beizjagd wird ein optimal ernährter Greifvogel eingesetzt, der seinen natürlichen Artgenossen gleichkommt. Die jagdliche Leistungsfähigkeit hängt dabei von seiner Motivation und Kondition ab. Der Vogel wird täglich gewogen, da er nicht zum Jagen motiviert ist, wenn er zu schwer ist und nicht über die nötige Kraft verfügt, wenn er zu leicht ist. «Wenn der Beizvogel vollgefressen ist, fliegt und jagt er nicht», sagte Steven Diethelm, der auf eine ausgewogene Fütterung mit Eintagesküken, Tauben, Wachteln, Wildfleisch und Mäusen setzt.
Wenn der Beizvogel vollgefressen ist, fliegt und jagt er nicht.
Falkner versehen ihre Vögel beim Transport bis zum Beginn der Beizjagd mit speziellen Sichtschutzhauben. Greifvögel verhalten sich ruhig, sobald sie nichts mehr sehen und reagieren dann auch nicht hektisch auf ungewohnte Geräusche und Bewegungen. Damit die wertvollen Vögel nicht verloren gehen, wird ihnen am Ständer (Bein) ein Bellen (Glöcklein) befestigt und auf dem Rücken ein Peilsender. Wenn beispielsweise ein Krähenschwarm in der Nähe ist, bringt der Falkner seinen Vogel in eine günstige Position. Wenn der Greifvogel die erste Krähe gefangen hat, verstecken sich die anderen in einem Baum. Der Beizvogel kreist dann über dem Baum und der Falkner verscheucht die Krähen mit einer Ratsche aus dem Baum, damit die Jagd weitergeht. Der Greifvogel bekommt für jede erlegte Krähe eine spezielle Belohnung. Nach drei bis vier erlegten Krähen wird der Beizvogel ausgetauscht und erhält erst dann das Fleisch seiner Beute.
Schnellster Vogel der Welt
Bei der Beizjagd werden überwiegend Falken eingesetzt, die sofort angreifen und mit angelegten Schwingen in einen 90 bis 45 Grad Sturzflug übergehen. Der Wanderfalke kann dabei als schnellster Vogel der Welt Geschwindigkeiten von über 300 Stundenkilometer erreichen. Wenn er fast den Erdboden erreicht hat, öffnet er die Schwingen halb, schwingt sich mit unverminderter Geschwindigkeit in die Flugbahn des verfolgten Vogels ein und schlägt ihn mit den Klauen in der Luft. Das Männchen des Wanderfalken ist gegenüber der Krähe schneller und wendiger als das etwa um ein Drittel grössere Weibchen. Mit seinen lediglich 500 Gramm ist das Männchen allerdings zu schwach, wenn sich die Krähen gegenseitig helfen. Der Falkner stellte auch den grossen Sakerfalken vor, der direkt über seine Beute fliegt, sie mit den Fängen umschlingt und mit einem Biss in den Nacken tötet. Auch der Habicht ist ein Krähenjäger und wird überwiegend für die Beizjagd und Vergrämungsaktionen eingesetzt. Er wird vorwiegend aus dem Auto ausgesendet, da er die Fahrgeschwindigkeit gut übernehmen kann und tötet seine Beute mit den Krallen. Gerne wird auch der Wüstenbussard (Harris Hawk) eingesetzt, der wie ein Mäusebussard fliegt und etwas langsamer jagt, wie ein Habicht. Weitere Beizvögel sind Gerfalke, Lannerfalke und der Steinadler, der in der Schweiz praktisch nicht zum Einsatz kommt.
Gefahr für den Menschen
Steven Diethelm berichtete auch von seiner Pflegestation, in der er auch Greifvögel züchtet. Allerdings nur für den Eigenbedarf, da die Beizjagd in der Schweiz nicht so verbreitet ist wie in den Nachbarländern Deutschland und Österreich. Der Experte bemerkte, dass viele Greifvögel das Nest bereits verlassen, ehe sie richtig fliegen können. Wer solche Jungtiere findet, sollte sie auf eine erhöhte Stelle setzen, um sie vor Raubtieren zu schützen.
Ein schwer verletzter Greifvogel (…) kann für den Menschen gefährlich sein.
Bei einem verletzten Greifvogel sollte Kontakt mit der zuständigen Stelle aufgenommen und niemals versucht werden, ihn selbst zu pflegen. Ein verletzter Vogel darf nicht gefüttert werden, weil sein natürliches Futter genau ausbalanciert ist und die meisten verletzten Tiere an Dehydrierung leiden. Einen wilden Greifvogel sollte man auch nur anfassen, wenn es unbedingt notwendig erscheint, weil er den Menschen als Bedrohung sieht, selbst wenn er ruhig und entspannt wirkt. «Ein schwer verletzter Greifvogel kann mit seinem Schnabel und den Krallen für den Menschen gefährlich sein», warnte Steven Diethelm. Ein verletzter Vogel sollte in einer Kartonbox mit eingeschnittenen Lüftungslöchern transportiert werden, die nicht viel grösser als der Vogel sein sollte, und in einer warmen, dunklen und ruhigen Umgebung aufbewahrt werden.
Jedes Hobby kostet Geld
In der Diskussion mit den Jagdaufsehern wurde der Falkner nach den Kosten und der Finanzierung seines Hobbys gefragt. «Ein Jungvogel, der noch nichts kann, kostet etwa 1000 Franken», sagte Diethelm, der sein Hobby zum Teil mit Gruppenführungen in seinem Greifvogelpark in Galgenen, Infoveranstaltungen, Lehrgängen, Vorträgen und Exkursionen finanziert. Er wurde auch von WWF Schweiz und WWF St. Gallen und Schwyz finanziell unterstützt. «Ich hatte seit Jahren einen guten Draht zu Bernd Strasse, dem Urgestein vom WWF, mit dem ich viele Lebensräume aufgewertet habe», sagte er. Zudem betreibt er eine 25 Hektaren grosse Landwirtschaft mit Heidschnucken. «Wir führen auf unserer Anlage keine Flugshows, sondern spezielle Infoveranstaltungen durch, die keinen Zoo-Charakter haben», betonte Steven Diethelm.