Hereford – Von England aus in die ganze Welt

Roland und Cornelia Berger führen den Hof Seealp im thurgauischen Altnau. Sie halten Herefords, die weltweit meist verbreitete Rinderrasse. Roland Berger bezeichnet sie jedoch als Nische in der Schweiz.

Momentaufnahme aus der Hereford-Mutterkuhhaltung bei Roland und Cornelia Berger.
Momentaufnahme aus der Hereford-Mutterkuhhaltung bei Roland und Cornelia Berger.

«Chom Zwätschgi», ruft Cornelia Berger der Kuh zu. Friedlich steht Zwätschgi grasend auf der Wiese. Das Besondere sei, dass diese Hereford-Kuh eigentlich einen dreiteiligen Namen trage. «Pala-Pütschi-Zwätschgi», sagt Roland Berger schmunzelnd. Pala sei ihr eigentlicher Name, Pütschi werde sie von seiner Nichte genannt, weil die Kuh sich nicht gerne am Kopf streicheln lasse. «Meine Frau Cornelia nennt sie Zwätschgi, weil das Tier gerne gegen den Strom läuft», erklärt der 37-jährige Landwirt die Namensgebung. Roland und Cornelia Berger führen den Hof Seealp im thurgauischen Altnau, direkt am Bodensee, und halten Hereford-Kühe. Derzeit besteht ihre Herde aus 42 Tieren. Davon sind 20 Mutterkühe, der Rest sind Rinder und Kälber aus eigener Aufzucht.

In vierter Generation

Roland Berger hat den Hof vor zehn Jahren von seinen Eltern Fritz und Monika Berger übernommen. Roland und Cornelia Berger führen ihn in vierter Generation. Der Landwirtschaftsbetrieb umfasst eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 18,5 Hektaren. Davon sind rund elf Hektaren Fruchtfolge mit Ackerbau, wie Mais und Weizen, sowie Kunstwiesen. Die Hauptstandbeine sind Hereford-Mutterkuhhaltung, Ackerbau sowie Paralandwirtschaft. Die Paralandwirtschaft umschreibt Tätigkeiten, für dessen Angebot ein landwirtschaftlicher Betrieb benötigt wird. Bei Bergers sind es Campingplatz, Massenlager, Zimmervermietung sowie Anlässe, beispielsweise Geburtstage, Hochzeiten und Firmenanlässe. Roland Berger erzählt, dass es bis im Jahr 2021 ein konventioneller Landwirtschaftsbetrieb gewesen sei. Zwei Jahre habe die Umstellung gedauert; seit 2024 sei es ein Biobetrieb.

Roland und Cornelia Berger mit ihrer ältesten Hereford-Kuh Nelli.
Roland und Cornelia Berger mit ihrer ältesten Hereford-Kuh Nelli.

Meistverbreitete Rinderrasse

Da der Stall damals nicht mehr den Tiervorschriften entsprach, hat Vater Fritz Berger 2005 die Milchviehhaltung aufgegeben – die Paralandwirtschaft, die dazumal schon bestand, aber weitergeführt. Zu jener Zeit hat Roland Berger noch als Koch gearbeitet, später dann die Zweitausbildung zum Landwirt gemacht. Bei der Hofübernahme wusste er, dass er keinen viehlosen Betrieb führen möchte. Es sei für ihn klar gewesen, dass er eine Rinderrasse wolle, bei der er so wenig wie möglich betriebliche Anpassungen vornehmen müsse. «Mein Bruder Markus ist gelernter Landwirt und viel in Kanada unterwegs. Er hat mich auf die Herefords aufmerksam gemacht, weil diese Rinderrasse nebst Angus dort weitverbreitet ist. In Deutschland, im Bundesland Hessen, habe ich mir dann vor Ort Herefords angeschaut.» Für sie habe er sich letztlich entschieden, weil es bedeutend weniger Tiere dieser Rasse in der Schweiz gäbe als Angus-Kühe. Die Hereford-Haltung bezeichnet Roland Berger als Nische in der Schweiz. Bemerkenswert sei aber, dass Hereford die verbreitetste Rinderrasse weltweit sei. Bergers Herde stammt aus Hessen. 20 Tiere, von der Kuh, über das Rind bis hin zum Kalb, habe er dort gekauft. «Vier Tiere haben wir noch von damals», bemerkt der 37-jährige Landwirt. Um die Herde ruhig zu halten, habe er sich bewusst gegen einen Stier entschieden. Der Betrieb besamt die Tiere mit Genetik aus Europa, Kanada, USA und Australien.

Beinahe sämtliche weiblichen Tiere werden als Nachzucht für die Mutterkuhherde aufgezogen. Männliche Tiere werden in der zweiten oder dritten Lebenswoche kastriert. Hat ein Tier beispielsweise eine Nabelentzündung, werde jedoch mit der Kastration abgewartet. Allerdings müsse dies noch vor der Geschlechtsreife gemacht werden, erklärt Roland Berger. Er achte darauf, dass der Tierbestand stets ausgeglichen bleibe. Demzufolge müsse er manchmal Tiere verkaufen und auf andere Betriebe geben. Grundsätzlich seien es Kälber im Alter von zehn Monaten, gelegentlich auch trächtige Rinder kurz vor der Abkalbung.

Bergers Hereford-Herde auf der Weide.
Bergers Hereford-Herde auf der Weide.

Gutmütige Rasse

Das Hereford-Rind stammt aus Herefordshire in England, wo es bereits seit dem 17. Jahrhundert gezüchtet wird. Die Landwirte dort wollten einst eine Rinderrasse schaffen, die das einheimische Gras effizient in Fleisch umwandelt. Vom ursprünglichen Arbeitsrind wurde das Hereford zum Fleischrind, weil es in der Haltung anspruchslos, gutmütig, anpassungsfähig und klimatolerant ist. Herefords fressen ausschliesslich Raufutter, wie Gras und Heu. Viel Wert habe er auf eine gutmütige Rasse gelegt. «Dies ist uns wichtig, wegen den Gästen, die bei uns campieren.» Bei den Herefords gibt es sowohl gehörnte als auch genetisch hornlose Tiere (sogenannte Polled Herefords). Bergers haben sich für genetisch hornlose entschieden, da Hörner ein Verletzungsrisiko für Menschen und Artgenossen bergen. Herefords eignen sich für die ganzjährige Freilandhaltung. «Sie können sich an unterschiedliche Klimaverhältnisse anpassen. Bei nassem Wetter im Winter würden allerdings Weideschäden entstehen. Deshalb sind unsere Herefords während der Winterzeit im Stall. Wir haben einen Halbtagsweidebetrieb, da wir noch eingrasen. Im Hochsommer sind die Tiere nach dem Mittag drinnen im Stall, im Frühjahr und Herbst jedoch den ganzen Tag draussen.»

Der Hof Seealp von Roland und Cornelia Berger in Altnau. Bild: zVg.
Der Hof Seealp von Roland und Cornelia Berger in Altnau. Bild: zVg.

Hohe Marmorierung

Eine Hereford-Mutterkuh ist zwischen 600 und 800 Kilo schwer. Das Durchschnittsalter liege bei etwa sieben Jahren. «In unserer Herde leben drei Tiere, die schon zwölfjährig sind, und eines noch ein Jahr älter. «Ich möchte unseren Kühen ein möglichst hohes Alter ermöglichen. Je älter eine Kuh wird, desto nachhaltiger ist sie.» Das dicke Fell dieser Tiere ist rot; Kopf, Hals, Schwanzquaste, Nacken und meistens ein Teil der Beine sind weiss. «Das ist typisch für diese Rasse», führt er aus. Ihr frühreifer Schlachtkörper sei zwar nicht der allerbeste, aber er weise eine gute Fettabdeckung auf. Herefords gehören zu den wenigen Rinderrassen, die eine hohe Marmorierung des Fleisches bei reiner Gras- oder Heufütterung erzeugen. Bergers vermarkten einen Teil ihres Hereford-Fleisches direkt ab Hof, ein Teil gelangt unter dem Label Natura-Beef zum Grossverteiler Coop. «Aber auch für unsere Paralandwirtschaft verwenden wir unser hofeigenes Hereford-Fleisch. Nur Fleisch, das wir nicht selber produzieren, beispielsweise Schwein oder Poulet, stammt von der ortsansässigen Ochsen-Metzgerei Wattinger. Dort werden auch unsere Tiere geschlachtet.»

Roland Berger im Stall bei einer Hereford-Kuh und ihrem frisch geborenen Kalb.
Roland Berger im Stall bei einer Hereford-Kuh und ihrem frisch geborenen Kalb.

Von der Familie unterstützt

Roland Berger ist Vorstandsmitglied bei IG Swiss Hereford. Derzeit gibt es in der Schweiz 38 registrierte Hereford-Zuchtbetriebe. Jedes Zuchttier hat einen Zuchtausweis mit verschiedenen Informationen. Der Altnauer Landwirt betont, er sei froh, dass er von seiner Frau Cornelia und auch immer noch von seinen Eltern bei der Arbeit unterstützt werde. «Cornelia kann mich auf dem Betrieb vollumfänglich ersetzen.» Cornelia Berger ist übrigens kein unbekanntes Gesicht. Sie hat 2023 in der 17. Staffel der «SRF bi de Lüt – Landfrauenküche» mitgemacht. Die 37-Jährige ist gelernte Medizinische Praxisassistentin und hat eine Zweitausbildung zur Fitnessinstruktorin gemacht. Am Bildungs- und Beratungszentrum Arenenberg hat sie alle erforderlichen Module besucht, um die Prüfung Bäuerin zu absolvieren. Den Fachausweis erhielt sie vor drei Jahren.

Gerne würde Roland Berger zusammen mit seiner Frau irgendwann Kanada, Neuseeland oder Australien bereisen – nicht nur der Herefords wegen. «Ich möchte einmal bis zum Horizont nur Grünland sehen.» Doch bis dahin geniesst er vom Hof Seealp aus einen herrlichen Weitblick auf den Bodensee und die gegenüberliegende Stadt Hagnau in Deutschland.

Das könnte Sie auch interessieren

stgallerbauer.ch Newsletter
Seien Sie die Ersten, um neueste Updates und exklusive Inhalte direkt in Ihren E-Mail-Posteingang zu erhalten.
Anmelden
Sie können sich jederzeit abmelden!
close-link