Kleine Rasenmäher für steiles Gelände

In Ebnat-Kappel tönt es wie vor Jahrzehnten auf der kleinen französischen Insel „Île d’Ouessant“, denn bei Rainer Widmer sind die kleinen Ouessant-Schafe heimisch.

Ouessant-Schafe schätzen einen schattigen Unterstand.
Ouessant-Schafe schätzen einen schattigen Unterstand.

Die Geschichte der Ouessant-Schafe ist wie bei einigen anderen Tierrassen: In der Heimat ausgestorben, aber ausserhalb von engagierten Züchtern gefördert und am Leben erhalten. Die kleinen Schafe mit einer Widerristhöhe der Auen von 46 Zentimetern und der Böcke von 49 Zentimetern finden hier oberhalb von Ebnat-Kappel die gleichen Bedingungen wie auf der französischen Insel, nämlich Magerwiesen, vor.

Wie die Gemsen im Steilhang

«Es sind genügsame und zutrauliche Schafe», umschreibt Rainer Widmer die Tiere. Kraftfutter gibt es nur als Lockmittel, wie jetzt beim Fototermin, ansonsten ernähren sie sich vom Weiden. Warum Rainer Widmer für sein umliegendes Land besonders leichte Schafe hält, wird einem bewusst, wenn man den Hang Richtung Thuraustrasse hinunterblickt: Steigungsgrad Prädikat «schwindelig». Aber für die zierlichen Schafe kein Problem, versichert Rainer Widmer. Keine «Tierwegchen» sind auf der Weide sichtbar. Durch ihre Leichtigkeit geraten sie selten in matschige Stellen und haben somit keine Klauenfäule. Die Tierarztkosten halten sich im Rahmen. Einzig wenn es eine schwierige Geburt geben sollte, muss der Tierarzt einen Kaiserschnitt vornehmen. Der Tierhalter kann das Lamm nicht selber drehen. «Das kam bisher nur einmal in den 20 Jahren vor», blickt Rainer Widmer zurück. Ansonsten verlaufen die Geburten immer reibungslos und auch der Instinkt der Ouessant-Schafe ist ausgeprägt. «Wenn eine Aue ein Lamm liegen lässt und sich nicht kümmert, hat das meistens einen Grund. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Lamm auch nicht überlebensfähig gewesen wäre. Also nicht dass die Aue eine schlechte Mutter gewesen ist», erklärt Rainer Widmer.

Genügend Gehege ist wichtig

Die Ouessant-Schafe geniessen unterdessen die Schattenplätze beim Unterstand. «Sie haben lieber die Kälte als die momentane Hitze», weiss der Ebnat-Kappler. Schutz, Unterstand, Schatten haben die Tiere genug. Vor 20 Jahren, als der Ouessant-Züchter die ersten Tiere aus Deutschland importierte, baute er auch gleich für jedes Gehege einen rustikalen Unterstand. In einem Gehege leben Auen mit Bocklämmern, in einem anderen Auen mit Auenlämmern und im dritten befinden sich die Widder. Die Böcke vertragen sich gut untereinander. Anfangs gibt es Rangkämpfe und dann läuft das Zusammenleben reibungslos.

Strenge Vorgaben

Als Ouessant-Züchter muss man viel Geduld und Sorgfalt aufweisen. Bei anderen Rassen gilt: Sind die Eltern reinrassig, ist das Jungtier automatisch auch reinrassig. Nicht so bei den Ouessant-Schafen. «Die Rasse ist über den Verein Ouessant-Schafe Schweiz organisiert, der ein hoher Standard hat», gibt Rainer Widmer Auskunft. Jedes Tier wird mit sechs Monaten, eineinhalb Jahren und zweieinhalb Jahren auf dem Kleinbetrieb bewertet, also auf die Zuchtpunkte überprüft, ob diese erfüllt sind. Erst nach den drei Bewertungen bekommen sie einen Eintrag im Hauptregister als rassenreiner Ouessant. Wird ein Tier während dieser drei Bewertungen verkauft oder stirbt, bleibt dem bereits geborenen Nachkommen der Eintrag verwehrt. Harte Sitten, aber so wird konsequent gewährleistet, dass die Rassemerkmale auch in x Jahren erhalten bleiben. Also dass beispielsweise die «kleine Grösse» bleibt.

Grössere Nachfrage als Angebot

«Ouessant-Schafe sind beliebte Tiere», weiss Rainer Widmer. Sie eignen sich beispielsweise auch bestens auf kleinen Flächen in einem Quartier für Hobbyhalter. Die Nachfrage ist grösser als das Angebot. Aber es wird in Tierkleinanzeigen auch viel Schindluderei betrieben. Nicht jedes kleine Schaf ist ein Ouessant-Schaf, auch wenn es als solches angeboten wird.

Rainer Widmer ist begeisterter Ouessant-Züchter.
Rainer Widmer ist begeisterter Ouessant-Züchter.

Das Ouessant-Schaf kann von der Nutzung her nicht mit Hochleistungsmilchschafen verglichen werden. Die Milch reicht für die Lämmer und auch die Fleischausbeute, bei 15 bis 16 Kilo (Auen) und circa 20 Kilo (Böcke), ist nicht interessant. Ihre Nutzung beschränkt sich auf die sorgfältige Landschaftspflege und die Freude bei Gross und Klein beim Anblick der besonders schönen Schafe. Das Scheren erfordert besonderes Geschick. «Zwar sind sie leicht, aber man kann sie nicht auf den Rücken legen und sie werden ruhig, wie das bei anderen Schafen der Fall ist», meint der Ouessant-Züchter schmunzelnd. Fürs Scheren und Klauenschneiden benötigt der Ebnat-Kappler eine halbe Stunde pro Schaf. Die Auen werden im Dezember geschert und die Böcke im Mai. Die Wolle ist fetthaltig, dadurch ist es etwas anstrengender, mit dem Schergerät durch die Wolle zu streifen. Ab und zu bekommt er Anfragen aus der Umgebung für die Wolle für den privaten Gebrauch um Haus und Garten. Aber ansonsten wird die Wolle nicht weiterverwertet.

Das Schafjahr

Das Zuchtjahr beginnt im Oktober mit dem Decken der 15 Auen. Die weiblichen Tiere, die im Frühling zur Welt kamen, lässt Rainer Widmer nicht decken, obwohl sie schon geschlechtsreif wären. Sie kommen auf die «Jumpfere-Weid». Die Tragzeit beträgt fünf Monate. Im März/April beginnt das grosse Lämmern. «Ouessant-Schafe bekommen immer nur ein Lamm. Zwillingsgeburten gibt es praktisch nie», erklärt der Züchter. Ouessant-Auen blöken viel und gerne, sobald der Nachwuchs auf der Welt ist. Wohingegen die Böcke das ganz Jahr hindurch akustisch zurückhaltender sind. Die Lämmer werden von den Auen während drei Monaten gesäugt. Im Herbst werden dann neue Herden gebildet und die Jumpfere-Weid bekommt neue Beweiderinnen, die Jumpfere-Weid-Schafe werden gedeckt und die jungen Böcklein kommen auf die Widderweide. Im Winter steht die Heufütterung im Vordergrund. Ausserdem hat das eine oder andere Schaf die dritte Bewertung hinter sich und gilt offiziell als «Widmers Ouessant-Schaf».

Die Widder unter sich.
Die Widder unter sich.

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