Von der Schafwolle zum Naturdünger

Die kalte Jahreszeit geht zu Ende und die Kühe warten bereits auf das Öffnen der Weidetore. Obwohl der Weidegang Komfort bietet, bedeutet er anfangs auch Stress in Form von Futterwechsel, verÄnderter Haltung, steigender Hitze und Parasitendruck.

Aus Schafwolle, EM-Keramikpulver und etwas Pflanzenkohle entstehen Würfeli, die es in sich haben. Bild: Renate Hodel
Aus Schafwolle, EM-Keramikpulver und etwas Pflanzenkohle entstehen Würfeli, die es in sich haben. Bild: Renate Hodel

Bis 2016 war der Hof von Hanspeter und Doris Blaser im Grunholz in der Emmentaler Gemeinde Lan-diswil ein Milchwirtschaftsbetrieb. Nach einem Unfall musste der Landwirt die traditionelle Viehzucht allerdings überdenken: «Das Melken war nach dem Unfall nicht mehr möglich, daher haben wir uns für eine vollständige Umstellung auf Schafhaltung entschieden», erzählt Hanspeter Blaser. Die Umstellung auf Schafhaltung markierte einen Wendepunkt für den Betrieb, der nun rund 100 Schafe zählt und sich hauptsächlich auf die Produktion von Mastlämmern konzentriert. «Wir hielten schon vor der Umstellung ein paar Auen – heute sind es etwa 50 Mutterauen, und rund 50 Schafe sind Nachwuchs und Mastlämmer», erklärt der Landwirt.

So ist der Hauptbetriebszweig heute Fleisch, und die Mastlämmer werden einerseits an eine Metzgerei in Thun geliefert und andererseits direktvermarktet. «Unsere direkten Kunden schätzen unter anderem die Vielfalt in den Mischpaketen», sagt Doris Blaser. Schaf- und Lammfleisch seien im Detailhandel nicht so sichtbar und gewisse Teile gar nicht erhältlich, ergänzt sie: «So zum Beispiel Schafvoressen wie auch Lammgigotsteak – und gerade dieses Fleisch wird bei uns im Direktverkauf enorm nachgefragt.»

Ein Wendepunkt mit Folgen

Die Umstellung auf Mutterschafhaltung führte aber nicht nur zu einer Umstrukturierung des Betriebs, sondern auch zur Entwicklung eines neuen Produkts, das so innovativ wie nachhaltig ist: die «Natur-würfeli» – pelletierte, organische Düngewürfel aus Schafschurwolle.

Die Naturwürfeli sind das Ergebnis einer findigen Idee, die landwirtschaftliche Abfallprodukte in wert-volle Ressourcen verwandelt. So haben Doris und Hanspeter Blaser eine Lücke im Markt für ökologi-sche Düngemittel erkannt und genutzt. «Früher mussten wir die Wolle zu einem geringen Preis abge-ben, weil niemand Interesse hatte», erklärt Hanspeter Blaser. Später ergab sich mit dem Aufkommen von Schafwolle als Isolations- und Dämmungsmaterial immerhin wieder ein Markt: «Ab da haben wir die Wolle an die Schafwollannahmestelle der Fisolan AG in Enggistein geliefert, die Schafwolldämm-stoffe herstellt», erzählt der Landwirt weiter.

Doch Doris Blaser, die noch in der biologischen Gärtnerei der Friederika-Stiftung in Walkringen arbeitet, erkannte das Potenzial der Schafwolle als Dünger: «Wir verwendeten Schafwolle beispielsweise bei den Zucchetti, indem wir die offene Wolle rund um die Zucchettistaude drapierten, was sowohl die Schnecken etwas abschreckte als auch die Erde darunter feucht hielt und zusätzlich düngte», erzählt sie. Bei einer Weiterbildung zum Thema Kompostieren begegnete Doris Blaser dann zum ersten Mal Schafwollpellets als Düngemittel – das vorgestellte Produkt stammte allerdings aus dem Ausland. «Ich habe die Idee dann nach Hause getragen und wir haben uns daraufhin ernsthaft Gedanken gemacht, wie wir mit unserer Schafwolle ebenfalls eine lokale und nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Düngemitteln herstellen könnten», erklärt Doris Blaser.

Entwicklung der Würfelchen

Die Entwicklung der Naturwürfeli war jedoch nicht ohne Herausforderungen. «Wir mussten Lösungen finden, wie wir die Wolle effektiv verkleinern und hacken können, um sie danach zu pelletieren», be-schreibt Hanspeter Blaser den anspruchsvollen Prozess der Materialverarbeitung. «Das Problem ist, dass Wolle zwar weich, aber auch enorm zäh ist», ergänzt er. Die Anschaffung einer gebrauchten Schnittmühle aus Deutschland erwies sich schliesslich als Schlüssel zur Herstellung der Würfelchen. Nach einer Testphase und viel Tüfteln begannen Hanspeter und Doris Blaser schliesslich mit der Produktion der Düngewürfel. Der Durchbruch in der Produktion führte zu einer erfolgreichen Partner-schaft mit der EM Schweiz AG in Arni, die Tierfuttermittel und Bodenhilfsstoffe mit Mikroorganismen vertreibt. Das Unternehmen übernahm den Vertrieb des Düngers und ebnete damit den Weg für eine breitere Markteinführung. Weil der Vertrieb nun hauptsächlich über die EM Schweiz AG läuft, werden den Würfelchen noch etwas EM-Keramikpulver und etwas Pflanzenkohle beigemischt.

«Wir mussten unsere Produktion stetig anpassen und erweitern, um den Anforderungen gerecht zu werden – die eigene Wolle reichte bald nicht mehr aus», erzählt Hanspeter Blaser. Die zusätzlich benötigte Wolle kauft er bei Kollegen zu: «Ich halte und züchte rassenreine Schwarzbraune Bergschafe und amte auch als Experte bei den Schafschauen», erklärt der Landwirt, «so habe ich ein breites Netzwerk mit Schafzüchtern und Schafhaltern, die mir Wolle liefern können.» Ausserdem gilt Schafwolle als Schlachtabfall und unterliegt folglich gewissen hygienischen Auflagen. So verlangt das Bundesamt für Landwirtschaft, dass Wolle entweder vor der Weiterverarbeitung gewaschen oder eine Stunde lang bei 70 Grad erhitzt wird. «Dies, obwohl wir ja Schafschurwolle verwenden und die Wolle nicht bei der Schlachtung anfällt – aber das ist halt so definiert, und entsprechend müssen wir diesen Auflagen nachkommen», meint Hanspeter Blaser pragmatisch.

Waschen kann er die Wolle aber nicht, da sonst das Lanolin, also das sogenannte Wollwachs, weggewaschen wird, das bei der Produktion des Düngers als natürlicher Klebstoff wirkt und dafür sorgt, dass es schön kompakte Würfelchen gibt. «Also erhitze ich die Wolle vor der Weiterverarbeitung bei einer lokalen Sägerei in der Trocknungskammer und bekomme auch eine entsprechende Bescheinigung», erklärt Hanspeter Blaser weiter.

Nachhaltiger Erfolg

Durch die Nutzung eines «Abfallprodukts» haben Hanspeter und Doris Blaser ein vollständig orga-nisches, biozertifiziertes Produkt geschaffen, das den Terra-Preta- Effekt nachahmt: Die Düngewürfel tragen dazu bei, die Bodenstruktur zu verbessern, die Wasserhaltekapazität zu erhöhen, überschüssige Nährstoffe zu puffern, und bieten so eine langfristige Nährstoffversorgung für Pflanzen.

Der Dünger findet nicht nur bei Privatkunden Anklang, sondern auch in Gärtnereien. Die Produktion der Naturwürfeli, die mit rund 200 bis 300 Kilo angefangen hat, liegt inzwischen deutlich höher. «Interessant wäre der Einsatz der Naturwürfeli in der Landwirtschaft – dafür müssten wir allerdings in eine fast industrielle Produktion übergehen», sinniert Hanspeter Blaser. Zwar ist eine nachhaltige Steige-rung der Produktion durchaus vorgesehen, da die ganze Produktion aber auf dem Hof stattfindet, hat sie auch ihre Grenzen: «Wir haben bereits in eine bessere Schnittmühle investiert», erzählt Hanspeter Blaser. Aktuell liege der Fokus aber vorerst einmal auf der Produktion, um weiter Umsatz zu generieren, damit dann wieder in die kleine betriebliche Erfolgsgeschichte «Naturwürfeli» investiert werden kann.

Weiden mit Aussicht: Das Schwarzbraune Bergschaf ist für das hügelige Emmental gut geeignet. Bild: Naturwürfeli
Weiden mit Aussicht: Das Schwarzbraune Bergschaf ist für das hügelige Emmental gut geeignet. Bild: Naturwürfeli

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