Wildschweine machen Zürcher Bauern das Leben schwer
Wildschweine, Landwirte, Jagdgesellschaften und die kantonale Jagdverwaltung – das ist eine spannungsgeladene Beziehung. Im Kanton Zürich wurde ein Wildschweinprojekt lanciert, um Möglichkeiten zur besseren Bewältigung der Wildschweinschäden zu prüfen.
Der Bestand an Wildschweinen hat seit 2010 massiv zugenommen: Im Kanton Zürich wurden 46 Prozent mehr Schwarzwild gezählt, im Rekordjahr 2022 waren es sogar 60 Prozent mehr Wildschweine. Der Sauenbestand wird 2023 auf 1537 geschätzt. 2022 war ein Rekordjahr mit 1688 geschätzten Sauen. Diese Schätzungen der Jagdgesellschaften werden im April erhoben, die meisten Frischlinge kommen erst danach zur Welt. Die kantonale Jagdverwaltung schätzt deshalb den realen Bestand auf 2000 bis 3000 Wildschweine.
Die Bestandszunahme hat verheerende Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Denn für die Wildschweine sind Mais, Weizen, Raps und Zuckerrüben ein gefundenes Fressen.
In der Regel durchwühlen Wildschweine «nur» die obersten fünf Zentimeter der Bodenschicht, das dafür über ein ganzes Feld. Wenn sie Mäuse oder Vorratslager anderer Nagetiere riechen, können Sie aber bis zu zwei Quadratmeter grosse und 60 Zentimeter tiefe Krater graben.
Parallel zum Bestand der Wildschweine haben die Wildschäden zugenommen. Reto Muggler, Co-Leiter der Fischerei- und Jagdverwaltung des Kantons Zürich erklärt: «Im Rekordjahr 2021/2022 verursachten die Wildschweine Schäden in der Höhe von 307 000 Franken.»
Nichts kann sie aufhalten
Franziska Näf führt auf dem Laubberg in Glattfelden einen stark betroffenen Ackerbau- und Milchwirtschaftsbetrieb. Seit 2018 wüten dort gleich drei Wildschweinrotten, die sogar mitten am Tag in die Gebäude eindringen. Die Schäden betragen mehrere 10 000 Franken.
«Nichts kann das Schwarzwild aufhalten», klagt die Landwirtin. Weder der dreifach gespannte und mit 10 000 Volt extrastarke elektrische Weidezaun noch Vergrämungsmittel oder der akustisch-optische Wildschweinschreck.
Franziska Näf meldet konsequent jeden Wildschweinschaden. Damit macht sie sich nicht nur Freunde, denn die Schäden müssen zu 75 Prozent vom Wildschadenfonds bezahlt werden (der mit den Pacht- und Passeinnahmen gefüllt wird) und zu 25 Prozent von der lokalen Jagdgesellschaft.
Zusammen mit benachbarten Landwirten, die total 35 Hektaren Ackerfläche einzäunen müssen, setzte sich Franziska Näf mit der Jagdgesellschaft zusammen. Aber es konnte keine Einigung erzielt werden.
Jagd und Kanton sind gefordert
Die rund 160 Jagdreviere im Kanton Zürich wurden 2017 durch die Gemeinden für acht Jahre an die Jagdgesellschaften versteigert. Diese verpflichten sich unter anderem zur Regelung des Wildschweinbestands. Das funktioniert in der Regel gut.
«Der Wildschweinbestand wird vor allem durch das Nahrungsangebot gesteuert», betont Reto Muggler, «weil die Kulturen der Landwirtschaft für die Sauen attraktiv sind, wachsen die Rotten.» Dann nehme die Zahl der Wildschweine trotz hohem Jagddruck nicht ab.
«Der Kanton ermöglicht durch die Zulassung von Nachtjagd und Nachtsichtgeräten sowie die Lockerung der Schonzeiten schon eine effizientere Wildschweinjagd.» Die Jäger werden zudem angehalten, die Wildschweine dort zu bejagen, wo sie Schaden anrichten. Aber gemäss Reto Muggler «werden die Wildschweinbestände und deren Schäden im selben Masse ansteigen wie bisher, wenn die Jagd und die Landwirtschaft so weitermachen wie bis anhin».
Aus diesem Grund hat die Fischerei- und Jagdverwaltung zusammen mit dem Zürcher Bauernverband ein Wildschweinprojekt gestartet. Dieses prüft Möglichkeiten, mit denen die Wildschäden besser bewältigt werden können. «Das geht aber nur gemeinsam, weder die Jagd noch die Landwirtschaft kann dies allein tun.»
Situation im Kanton St. Gallen
Das Amt für Natur, Jagd und Fischerei (Anjf) hat auf die Anfrage des «St. Galler Bauer» zur Situation im Kanton St. Gallen nicht reagiert. Der Jagdstatistik 2023 ist jedoch zu entnehmen, dass total 23 Wildschweine geschossen wurden und zwei Tiere als Fallwild das Leben liessen. Im Kanton Zürich waren dies 1060 Tiere (Abschüsse und Fallwild). Eine Bestandsschätzung von Wildschweinen gibt es im Kanton St. Gallen keine, im Kanton Zürich wurden im letzten Jahr 1537 Sauen gezählt. Die Entschädigungen, die der Kanton St. Gallen wegen Wildschweinschäden im Jahr 2023 ausbezahlte, belaufen sich auf 8145 Franken (Kanton Zürich 292 391 Franken). Dieses Bild ergibt, dass der Kanton St. Gallen bei Weitem noch kein so grosses Problem mit Wildschweinen hat wie der Kanton Zürich. meg.