Mitte St.Gallen: Den Bauern nicht noch mehr aufbürden

Die agrarpolitischen Herausforderungen und die kommenden Rahmenbedingungen wurden am Landwirtschaftsabend der Mitte St.Gallen intensiv diskutiert. Die Bäuerinnen und Bauern sind unzufrieden über die neuen Massnahmen des Bundes.

Landwirtschaftsabend der Mitte.
Am Landwirtschaftsabende der Mitte St.Gallen wurde rege diskutiert.

Der Sommeranlass der Landwirtschaftsgruppe der Mitte von vergangener Woche in Kirchberg stiess auf grosses Interesse. «Noch nie waren so viele Themen mit Bezug auf die Landwirtschaft bei Politik und Gesellschaft in Diskussion», verwies Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbands, auf die kommenden Herausforderungen. «Die AP2022+ wurde zwar sistiert, der Zahlungsrahmen für die Direktzahlungen für weitere vier Jahre gutgeheissen und das Bodenrecht wird vorerst nicht angerührt. Und trotzdem versucht der Bundesrat nun über die Hintertüre verschiedene Elemente der ursprünglichen AP einzuführen.»

Verlagerung der Direktzahlungen

Die Versorgungssicherheitsbeiträge werden um mehr als 300 Millionen Franken gekürzt. Die Landwirte könn(t)en diese Ausfälle mit neuen Beiträgen kompensieren. Das Sammelsurium von neuen Massnahmen stösst der Landwirtschaft jedoch sauer auf. Diese hätten einen unrealistischen Detailierungsgrad und es würden immer mehr Zielkonflikte geschaffen, so auch der Tenor unter den anwesenden Bäuerinnen und Bauern. «Insbesondere die Einführung der zusätzlichen 3,5 Prozent BFF auf den Ackerflächen und die 20-prozentige Reduktion bei den Nährstoffen N und P bis 2030 sind praxisfremd und widersprechen den aktuellen Herausforderungen», betonte Markus Ritter.

Nächste AP erst ab 2030

Der Bundesrat und die zuständige ständerätliche Kommission wollen erwirken, dass die nächste AP-Reform erst ab 2030 erfolgt. Das Problem liege zurzeit aber bei den Umweltverbänden und der links-grünen Politik. Mit ihrer verbissenen Arbeit gegen die Landwirtschaft und den ländlichen Raum verunmöglichten sie eine nachhaltige und für die Bauernfamilien verträgliche Entwicklung. Der Bauernverband ist deshalb eine breite Allianz mit der Wirtschaft und den bürgerlichen Parteien eingegangen. Bei den nächsten Wahlen soll die bürgerliche Mehrheit in den Räten gestärkt werden. Nur so könne die Landwirtschaft wieder auf eine solide Mehrheit in beiden Räten bauen und unnötige Auflagen im Parlament mit der notwendigen Entschlossenheit zurückweisen.

Revision Raumplanung

Nicolo Paganini ist Mitglied der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK). Die Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG) ist zurzeit im Gang. Die Gesetzesanpassung soll eine Antwort auf die vorliegende Landschaftsinitiative bringen. Grundsätzlich will die Initiative keine Erhöhung der Gebäudezahl ausserhalb der Bauzone. «Wir möchten im Gesetz aber klar verankert haben, dass die Landwirtschaft, der Tourismus und Energieproduktionsanlagen davon ausgenommen sind», so Paganini. Die ursprüngliche Kompensationspflicht für neue Bauten soll durch ein Anreizsystem abgelöst werden. Insgesamt wäre die angedachte RPG-Revision für die Landwirtschaft seit Jahren das erste Mal ein diskutabler Weg, fasste Nicole Paganini zusammen.

Wir möchten im Gesetz aber klar verankert haben, dass die Landwirtschaft, der Tourismus und Energieproduktionsanlagen davon ausgenommen sind.

Ein anwesender Landwirt forderte die Politik auf, mehr auf das Nebeneinander von Landwirtschaft und Nichtlandwirtschaft zu achten. Insbesondere die Weilerzonen würden immer wieder Konfliktpotential bieten und die aktive Landwirtschaft behindern.

Gesetz wird angepasst

Ebenfalls behandelt die UREK das aktuell emotionalste Thema Wolf. Mittlerweile hätten auch die Wolfs-Befürworter und Ideologen eingesehen, dass die Wolfsituation nicht mehr haltbar sei. Die rund 200 Wölfe in der Schweiz hätten das zumutbare Mass weit überschritten. Das Gesetz wird nun angepasst. Der Wolf soll künftig in der Zeit vom 1. September bis 31. Januar geschossen, das heisst, reguliert werden können, gefährliche Wölfe zudem über das ganze Jahr. «Mit dieser Gesetzesanpassung kann die Wolfspopulation analog dem Steinbock gesteuert werden. Eine Zustimmung zu dieser überfälligen Gesetzesanpassung ist wahrscheinlich», ist Paganini zuversichtlich.

Noch eine Initiative

Die UREK befasst sich aktuell auch mit der Biodiversitätsinitiative. Diese will weitere Gebiete in der Schweiz als Biodiversitätsfläche ausscheiden, ohne aber eine Zahl zu nennen. «Das ist ein Hirngespinst auf Grund der Tatsache, dass die Schweizer Landwirtschaft bereits jetzt rund 14 Prozent der Fläche als BFF bewirtschaftet. Der Bundesrat fordert nun in einem Gegenvorschlag mehr Landesfläche als Kerngebiete auszuscheiden. Dazu kämen Vernetzungskorridore und weitere Biodiversitätsgebiete. Alleine die zusätzlichen Kerngebiete würden einer Mehrfläche im Umfang des Kantons Luzern entsprechen. Damit soll neu eine ökologische Infrastruktur geschaffen werden, die von den Kantonen auch in den Richtplänen berücksichtigt werden muss und damit behördenverbindlich wäre», kritisierte Paganini. Es sei wohl nicht ausgeschlossen, dass das Schweizer Volk demnächst auch noch über diese Initiative und/oder einen Gegenvorschlag abstimmen müsse.

Frust ist gross

Sepp Sennhauser, Kantonsrat und Biobauer aus Rossrüti, hat in den Medien die neuen Massnahmen in der Landwirtschaft kritisiert. In einem Kurzreferat erläuterte er die unerfreuliche Situation. «Der Detaillierungsgrad der neuen Vorgaben übersteigt die Grenze der Zumutbarkeit. Die physische und psychische Belastung für die Bäuerinnen und Bauern ist für viele unerträglich. Ein grosser Teil der in der Landwirtschaft Tätigen kann und will das nicht mehr mitmachen», kritisierte Sennhauser die Situation aufs Heftigste. Selbst die Politik werde übergangen, Bundesverwaltung und Bundesrat würden nach Lust und Laune die Landwirtschaftspolitik bestimmen. Leider seien auch die Kantone zu wenig einbezogen.

Der Detaillierungsgrad der neuen Vorgaben übersteigt die Grenze der Zumutbarkeit. Die physische und psychische Belastung für die Bäuerinnen und Bauern ist für viele unerträglich.

Sennhauser‘s Ausführungen lösten entsprechend Diskussionen aus. Der Frust und die Unzufriedenheit an der Basis ist gross. Die Ohnmacht, dass die Landwirtschaft immer mehr zum Spielball von Ideologen und der Verwaltung verkommt, wurde in den Voten deutlich. Die Anwesenden forderten ein härteres Vorgehen durch Bauernverbände und Politik. Die Anwesenden stellten eine Forderung: Mittels einer Petition seitens der landwirtschaftlichen Basis sollen National- und Ständerat direkt angegangen werden. Die Erarbeitung der Petition und das Vorgehen werden nun mit den Bauernverbänden koordiniert.

Mitglieder der Mitte St.Gallen.
Unter der Leitung von Thomas Kempf informierten Nicolo Paganini, Markus Ritter und Sepp Sennhauser (von links).

 

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