«Des isch a Wahnsinn!»

Vorarlberger Landwirte besuchten kürzlich drei St. Galler Landwirtschaftsbetriebe mit Milchschafen, Legehennen, Gemüse und Milchvieh. Obwohl das Vorarlberg und der Kanton St. Gallen unmittelbar aneinandergrenzen, waren deutliche Unterschiede auszumachen.

Delegation AT
Die Vorarlberger Bauern auf dem Gemüsebetrieb Risch.

Schon früh im Jahr 2022 meldete der Arbeitskreis Unternehmensführung der Vorarlberger Landwirtschaftskammer sein Interesse an, St. Galler Landwirtschaftsbetriebe im Rahmen einer eintägigen Exkursion kennenlernen zu dürfen, gerne auch mit Produktionszweigen, die ennet dem Rhein nicht so häufig sind.

Milchschafe in Wolfertswil

Wissensdurstig und interessiert stiegen die Vorarlberger Bäuerinnen und Landwirte an einem windigen Novembertag aus dem Reisebus, der sie über die Landesgrenze bis nach Wolfertswil zum Hof von Andreas Sauter gebracht hatte. Vor dem leeren Milchschafstall begann Andreas Sauter mit der Betriebsvorstellung. «Die Schafe auf der Weide, auf der anderen Strassenseite, das sind meine Milchschafe, die ich zurzeit melke. Dass wir um diese Zeit, Anfang November, noch weiden dürfen, ist fantastisch.» Bald schon war den Vorarlberger Exkursionsteilnehmerinnen und -teilnehmern klar: Bio-Landwirt Andreas Sauter ist einer, der sein Handwerk versteht. Er weiss, wie er seinen Betrieb zusammen mit seiner Familie und dem Personal immer wieder neu auf die Marktanforderungen ausrichten muss. Der grossflächige, grosszügig eingestreute Stall beeindruckte ein erstes Mal, wie Sauters mit dem anfallenden Mist umgehen, um den Wiesen die notwendigen Nährstoffe zukommen zu lassen, fast noch mehr.

«Zwei Mal am Tag, während jeweils rund 3,5 Stunden, sind wir am Melken», führte Andreas Sauter vor dem Melkstand aus. Milchschafbetriebe in dieser Dimension sind im Vorarlberg kaum bekannt. Gut 400 Mutterschafe werden in Wolfertswil täglich gemolken. Dazu kommen die Milchschafe in der Laktationspause, die weiblichen Aufzuchtlämmer und die Mastlämmer. Sauter remontiert seine Herde selber. Einen Teil seiner Lacaune-Herde deckt er mit Widdern der selben Rasse, die Erstmelk-Auen mit Widdern der Rasse Berrichon du Cher, die in Frankreich am häufigsten für Terminalkreuzungspartnerrasse für Land- und Milchschafrassen eingesetzt wird. Die Schlachtlämmer aus Wolfertswil werden über das Label Alpsteinlamm (siehe «St. Galler Bauer» vom 19. August 2022) vermarktet.

Ein weiterer Betriebszweig auf dem Bio-Betrieb ist die Eierproduktion. In zwei Ställen halten Sauters je 2000 Legehennen und in einem Aufzuchtstall die nächste heranwachsende Generation Legehennen. «Bei meinen Hühnern setze ich seit Kurzem auf Lohmann-Dual-Hühner. Dabei handelt es sich um eine spezielle Züchtung, ein sogenanntes Zweinutzungshuhn, bei dem beide Geschlechter grossgezogen werden. Die weiblichen Hühner legen Eier und die männlichen sind für die Mast geeignet.» Andreas Sauter hält auf seinem Hof allerdings nur die weiblichen Tiere. Die meisten Eier aus Wolfertswil finden ihren Weg in die Regale eines Schweizer Grossverteilers, einige werden direkt vermarktet.

Delegation AT
Andreas Sauter zeigte seinen Milchschafbetrieb.

Gemüsebau in St. Margrethen

Nach der Mittagspause besuchten die Vorarlberger den Gemüsebaubetrieb der Familie Risch. Im Landschafts- und Naturschutzgebiet Eselschwanz in St. Margrethen, unmittelbar am Alten Rhein, und damit an der Landesgrenze zu Österreich, führt Armin Risch einen mittelgrossen Gemüsebaubetrieb in vierter Generation, Risch Gemüse. Auf dem vielfältig aufgestellten Betrieb wird eine breite Anzahl von verschiedenem Gemüse sowie Kartoffeln angebaut. Die österreichischen Gäste staunten, als sie erfuhren, wie viele seiner Produkte der Betrieb im Direktverkauf vermarktet. Armin Risch schilderte auch, wie sich die Absatzkanäle während der Pandemie verschoben und wie sich die Situation nun wieder dem Stand vor der Pandemie annähert.

Die beiden grössten Standbeine sind der Direktverkauf sowie der Vertrieb in die Gastronomie, nur ein geringer Teil der St. Margrether Erzeugnisse wird in den Gemüsegrosshandel verkauft. Die Familie Risch wird bei ihrer Tätigkeit auf dem Feld und in den Gewächshäusern unterstützt, wobei die Zahl der Angestellten je nach Jahresverlauf schwankt. «Des isch a Wahnsinn!», war die Reaktion des Vorarlberger Publikums bei den Schilderungen von Armin Risch zur Veredelung seiner Pflanzen. Wieviel Handarbeit dahinter steckt, war keinem der Gäste aus Österreich vorher bekannt, und dass beispielsweise Tomaten ebenso veredelt werden, wie Feldobstbäume, war für alle ein Novum. Geschwindigkeit, Fingerfertigkeit und die geringe Ausfallquote bei den filigran zusammengesetzten Stecklingen brachte alle zum Staunen.

«Auch in unseren Gewächshäusern betreiben wir Fruchtfolge», betonte Armin Risch. Dass die Auberginen- und Peperonipflanzen demnächst neuen Kulturen weichen müssen, sorgte ebenfalls für fragende Gesichter. «Die Früchte sehen zwar noch tiptop aus, aber wir benötigen den Platz für Neues, und zudem ist jetzt im Winter die Nachfrage nach solchen Produkten nicht mehr wahnsinnig gross», erklärte der Betriebsleiter. Auch hier ist wieder Handarbeit gefragt, bis die frischen Pflanzen in der Erde sind und wachsen.

Bei Risch Gemüse wird nach den Richtlinien von Suisse Garantie produziert. «Wann immer möglich, verzichten wir auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln», erklärt Armin Risch und hält eine Tüte hoch. Hier drin befinden sich Nützlinge, die uns im Gewächshaus helfen, die Schädlinge zu bekämpfen. Der richtige Einsatz dabei ist matchentscheidend. Die Nützlinge müssen bereits im Einsatz sein, bevor die Schädlingspopulation explodiert.»

Ein Rundgang durch den Rüstraum, wo die Produkte möglichst tagesfrisch konfektioniert werden, und vorbei am Kühlraum rundete den Aufenthalt auf dem Gemüsebaubetrieb ab.

Milchviehbetrieb in Balgach

«Rechnet genug Zeit beim Milchviehbetrieb ein», war die Bitte von Jasmin Sutter, der verantwortlichen Exkursionsleiterin der Vorarlberger Landeskammer. «Es sind vorwiegend Milchbauern, die an der Reise in die Schweiz teilnehmen.» Und so bildete die Besichtigung auf dem Hof von Jörg Geiger und Niklaus Loher (BG Geiger & Loher) in Balgach den Abschluss der eintägigen Weiterbildungsveranstaltung. Jörg Geiger empfing den Vorarlberger Reisebus direkt vor dem Laufhof in der Siedlung Krummensee. Rund 120 Kühe haben in diesem Stall ihr Daheim und werden von zwei Robotern gemolken. «Wir sind ein wenig Technikfans», sagte Jörg Geiger und begann von den Daten zu erzählen, die ihm der Melkroboter und die Laborresultate liefern. Von stierigen Kühen, die er von Auge nicht bemerkt, sein Roboter aber schon. Das System ist so programmiert, dass eine Kuh je nach Milchmenge alle acht Stunden gemolken werden kann. Tiere, die zu früh in den Roboter drängen, werden ohne Melken und ohne Kraftfutter durchgeschleust. Die Kühe lernen rasch und finden ihren Rhythmus. Dank Computer und Laufstall fallen Veränderungen schnell auf. Ist eine Kuh am Melkstand überfällig, leuchten ihre Daten rot am Bildschirm auf. Ebenso, wenn Zellzahlen abweichen.

Delegation AT
Der Milchviehbetrieb der BG Geiger & Loher beeindruckte.

Im Stall, bei den Futterplätzen zeigte Jörg Geiger auf einen weiteren technischen Helfer – die automatische Fütterung. «Alle zwei Stunden werden unsere Tiere mit frischem Futter versorgt, Tag und Nacht. Die Kühe haben sich längst an dieses System gewöhnt und spurten nicht mehr alle gleichzeitig zur Futterachse. Sie wissen, in zwei Stunden kommt die nächste Ration», erklärte er. Unter anderem auch dank diesem System herrscht Ruhe im Stall, sowohl ranghöhere als auch rangniedrigere Kühe finden genügend Zeit zur stressfreien Futteraufnahme.

Am Betriebsstandort im Krummensee sind nur die laktierenden Kühe und die jüngsten Kälber anzutreffen. Die Mastkälber wechseln nach einer bestimmten Zeit auf einen Nachbarbetrieb zur Ausmast, die Aufzuchtkälber ins Berggebiet. Diese kommen dann kurz vor der ersten Abkalbung wieder zurück. Und auch die Galtkühe verbringen ihre Laktationspause an einem anderen Standort.

Sowohl Jörg Geiger als auch Armin Risch und Andreas Sauter – ihnen allen ist es gelungen, das Informa­tionsbedürfnis der Vorarlberger Berufskollegen zu stillen. Obwohl die beiden Regionen unmittelbar an­einandergrenzen, waren deutliche Unterschiede im Berufsumfeld auszumachen. Profitieren konnten sie aber beide von diesem Exkursionstag, sowohl die Schweizer Gastgeber als auch die österreichischen Landwirte.

Das könnte Sie auch interessieren

stgallerbauer.ch Newsletter
Seien Sie die Ersten, um neueste Updates und exklusive Inhalte direkt in Ihren E-Mail-Posteingang zu erhalten.
Anmelden
Sie können sich jederzeit abmelden!
close-link