Dritter Direktvermarkterstamm: Normal ist kein Erfolgsfaktor

Direktvermarktung ist im Trend. Doch der schnelle Erfolg ist nicht garantiert. Auch wenn die Idee einzigartig ist, bei der Umsetzung ist Durchhaltewille gefragt. Zwei erfahrene Direktvermarkter aus Stein wissen, auf was es ankommt.

Direktvermarkterstamm in Stein.
Jeannette Stadelmann organisierte den dritten Direktvermarkterstamm in Stein auf den Betrieben von Karl Signer (Mitte) und Sepp Dähler (rechts).

Kabier, Bachforellen und Edelkrebse aus dem Appenzellerland. Tönt fremd. Doch das Angebot muss einzigartig sein, innovativ und ja keine 0815-Idee. Die Botschaft an Bauernfamilien, die ihre Produkte direkt verkaufen möchten, ist klar. Wer erfolgreich sein will, braucht eine gute Geschäftsidee. Oftmals sind diese zuerst etwas ungewöhnlich und verlangen von den Beteiligten den Mut, unkonventionelle Entscheidungen zu treffen. Dass die Umsetzung auch einen starken Durchhaltewillen braucht, war am dritten Direktvermarkterstamm zu hören. Zu diesem lud Jeannette Stadelmann, landwirtschaftliche Beraterin beim Landwirtschaftsamt Appenzell Ausserrhoden, vergangene Woche nach Stein ein. Besucht wurden die Direktvermarktungsbetriebe der Familien Magdalena und Sepp Dähler sowie Uschi und Karl Signer. Die rund 40 Teilnehmenden erfuhren von den Betriebsleitern Interessantes über ihr Leben, ihre aussergewöhnlichen Geschäftsideen und wie sie die Kundenbindung ohne Hofladen aufrecht halten.

Ein Ort – eine Geschichte

 «Ihr seht, wir haben nicht den besten Standort für einen Hofladen», sagte Sepp Dähler bei der Begrüssung auf seinem Hof Blindenau. Der Ort ist umgeben von dichten Wäldern, saftigen Wiesen und der für die Region typischen Landschaft. Es ist ruhig. Die Hauptstrasse von Stein nach Appenzell ist einige 100 Meter entfernt, Durchgangsverkehr ein Fremdwort. Hier ist nicht der Ort für spontane Einkäufe, hier trumpft die Marke «Appenzellerland» und die Geschichte der hier produzierten Nahrungsmittel.

Meine Forellenzucht wurde vor Jahren auf 19 Seiten im Heft Landliebe vorgestellt, und das war beste Werbung.

Die Idylle mit der fast unberührten Natur ist ein bevorzugtes Fotosujet. «Meine Forellenzucht wurde vor Jahren auf 19 Seiten im Heft Landliebe vorgestellt, und das war beste Werbung», sagte Klaus Signer, Besitzer von Mia`s Forellen & Krebse Stein AR. Die damals professionell gemachten Fotos sind nun auf seiner Webseite zu sehen.

Direktvermarkterstamm
«Natürlicher als hier bei uns können die Fische und Krebse nicht heranwachsen», sagt Karl Signer (rechts) zu den Teilnehmenden.

Ämter-Marathon fürs Erste

 Die Idee für die Gründung einer Fischzucht war 1998 ein spontaner Entscheid von Klaus Signer und einem Kollegen. Auf der Liegenschaft seiner Tante Mia hatte es diverse Weiher, die von einer stillgelegten Kiesgrube zurückblieben. Nebst der Freude am Fischen und an der Natur hatten die beiden Kollegen bald den Ehrgeiz, die erste offizielle Bio-Bachforellenzucht zu sein. «Und dann ist es losgegangen mit dem Einholen von Bewilligungen», erinnert sich Signer und nannte mit Pro Natura, dem Gewässerschutz und dem Tierschutz nur einige Ämter auf einem für ihn mühsamen Weg. «Auch das Zertifizierungsverfahren war langwierig. Im Jahr 2000 erhielten wir dann endlich die Bio-Knospe.» Acht Jahre später waren Klaus Signer und seine Ehefrau Besitzer der Liegenschaft und alleine verantwortlich für die Fischzucht.  «Wir haben die Grösse der Zucht laufend unseren zeitlichen Ressourcen angepasst», so Signer, der hauptberuflich ein Reinigungsunternehmen führt. Waren es am Anfang noch 5000 Fische, sind es heute ungefähr 25000. Die Fischzucht wird als Familienbetrieb geführt, für Werbung wird nicht viel Geld ausgegeben. Signers punkten mit der Qualität, der Regionalität und der Frische ihrer Produkte. Dabei zählen auf ihre Stammkundschaft, zu der Privatkunden, Restaurants, Delikatessenläden und auch Störköche gehören.

Mit Pionierarbeit zum Erfolg

Was so einfach tönt, war für Klaus Signer mit vielen Rückschlägen verbunden. «Ich habe vieles pioniermässig gemacht und dabei laufend gelernt.» Immer noch betreibt er die Fischzucht mit der gleichen Leidenschaft wie bei der Gründung, arbeitet mit und für die Natur und bietet Interessierten Einblick in sein Wirken. Abgegeben hat er nur die Bio-Knospe. «Ich hatte Mühe damit, dass mich Leute kontrollierten, die keine Ahnung von der Freilandfischzucht hatten.»

Ich habe vieles pioniermässig gemacht und dabei laufend gelernt.

Aus Überzeugung hält sich Signer immer noch an die Bio-Richtlinien, will jedoch seinen Hobbybetrieb ohne Zwang führen können. Lieber setzt er auf die Zusammenarbeit mit gleichberechtigten Partnern, wie beispielsweise dem Kanton beim Gestalten eines Amphibien-Schutzgebietes oder der Nachbarsfamilie Dähler, deren Bauernbetrieb angrenzend an seine Weiher ist.

Eine «Bieridee»

Bei Führungen, Degustationen und Apéros arbeiten die Direktvermarkter oft zusammen. «Das macht es für die Gäste spannender und das Buffet reichhaltiger», ergänzte Sepp Dähler, der seit 1998 Kabier-Fleisch produziert. Das Wort Kabier setzt sich aus Kalb und Bier zusammen, obwohl es eigentlich Rindfleisch ist. Dählers Masttiere werden mit Nebenprodukten der Brauerei gefüttert, trinken Biervorlauf und werden mit diesem täglich zweimal massiert. Auch Wasser und Heu steht ihnen im Offenstall stetig zur Verfügung. Ein Partnerbetrieb richtet für ihn die unterschiedlich eingekreuzten Kälber. «Am liebsten habe ich die weiblichen Tiere, da ihre Muskelfasern feiner sind.» Die Tiere werden mit 18 Monaten auf dem Hof getötet und durch die Firma Waidwerker in den fünf Kilometer entfernten Schlachthof Appenzell geführt. Dort findet dann die weitere Verarbeitung statt.

Direktvermarkterstamm
Die Rinder werden zweimal täglich, abwechslungsweise mit Biervorlauf-Bierhefegemisch oder Schweizer Rapsöl, massiert.

Die Idee Kabier entstand 1996 in Zusammenarbeit mit Karl Locher, Inhaber der gleichnamigen Brauerei in Appenzell, als die Familie mit dem Anbau von Getreide für die Bierproduktion begann. «Die Idee ist auch ein wenig abgeleitet vom bekannten Kobe-Beef aus Japan», so Dähler. In dieser Zeit schätzte er es sehr, dass seine Familie ihn unterstützte und sein Vater ihm nie dreinredete.

Wissen, was man will

Dähler ermunterte die Zuhörenden, sich Nischen zu suchen und neue Wege auszuprobieren, warnte aber auch vor hohen Investitionen. Er selber habe nach der Betriebsübernahme gemerkt, dass er mit seinen 15 Milchkühen und Land, das einige Kilometer entfernt lag, keine Zukunft sieht. Beim neuen Betriebszweig war für ihn die regionale Wertschöpfung, ein geschlossener Kreislauf sowie ein flexibler Arbeitsalltag wichtig – und dass am Anfang auf Investitionen verzichtet werden kann. «Wir sind mir vier Rindern gestartet und erst mit der Nachfrage gewachsen», informierte der Landwirt. So sei er nie unter Spardruck gestanden, konnte gut kalkulieren und habe nie eine Überproduktion gehabt. «Jetzt haben wir ein gutes Niveau erreicht, wachsen wollen wir nicht mehr. Wir möchten ein Familienbetrieb bleiben.» Den Direktvermarktern gab er den Tipp, ihrem Konzept treu zu bleiben, es konsequent umzusetzen und sich nicht zu verbiegen.

Wir sind mir vier Rindern gestartet und erst mit der Nachfrage gewachsen.

Den Austausch pflegen

 Mit der Brauerei Locher und dem Hotel Hof Weissbad hatte Familie Dähler von Anfang an geschätzte und zuverlässige Partner an ihrer Seite. Eine «Bieridee» in Kombination mit bekannten Namen lockte schnell die Medien wie auch das Fernsehen an. Die Erfolgsgeschichte rund ums Kabier-Fleisch, das im Mischpaket an Privatkunden geliefert wird und teilweise als halbes Tier in die Gastronomie, nahm ihren Lauf. Ob Privatperson, Gourmetkoch oder Fleischliebhaber, der Austausch mit ihnen ist für Sepp Dähler etwas sehr Wertvolles. Um die gegenseitigen Bedürfnisse besser zu spüren, entstand der Förderverein pro Kabier, der aktuell 170 Mitgliedschaften hat. An verschiedenen Anlässen wie Koch- oder Grillkursen, Genusswochenenden und kulturellen Abenden wird der Austausch gepflegt und neues ausprobiert. «Diese Treffen finden auf unserem Hof, aber auch an den unterschiedlichsten Orten in der Schweiz statt», erzählte Dähler, dessen Kunden eher aus städtischen Gebieten kommen. Sein Ziel sei aber, dass jeder Kunde und jede Kundin mindestens einmal auf seinem Hof war. Dazu wurde ein Teil der Scheune zu einem Hofstübli mit Gastroküche umgebaut. Bei jedem Anlass im Angebot: Delikatessen und Produkte aus dem Appenzellerland.

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