Fachtagung zum Thema Ernährung

In Flawil fand die Fachtagung des Landwirtschaftlichen Zentrums St. Gallen zum Thema Ernährung statt. Unterschiedlichste Redner trugen Substanzielles zum Thema «Vom Feld auf den Teller – Visionen umsetzen» bei. Vor Ort waren knapp 30 Interessierte, 15 verfolgten die Tagung online.

Frauen auf dem Podium: Petra Jorasch, Claudia Wüst, Jeanine Ammann, Chantal Tobler, Manuela Meier und Moderatorin Angelika Hardegger (von links).
Frauen auf dem Podium: Petra Jorasch, Claudia Wüst, Jeanine Ammann, Chantal Tobler, Manuela Meier und Moderatorin Angelika Hardegger (von links).

Die Ernährung von immer mehr Menschen unter erschwerten klimatischen Bedingungen verlangt nach visionären Lösungen und konkreten Massnahmen. «Jeder kann dort, wo er ist, bereits etwas beitragen», war ein Fazit der Fachtagung. Die Tessiner Gemüseproduzentin Manuela Meier erinnerte daran, dass es in der Verantwortung der Schweiz liege, Nahrungsmittel im eigenen Land zu produzieren, auch wenn dabei auf Bio verzichtet werden müsse. «Wenn es immer mehr Einschränkungen bei Pflanzenschutzmitteln gibt, können wir nicht mehr produzieren und müssen importieren. Bei den Zwiebeln sind wir schon bald so weit.» Ethisch sei dies nicht vertretbar.

Ambitioniertes Ziel

Daniela Büchel und Vivienne Oggier vom Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen begrüssten zur Fachtagung, zu der breit eingeladen worden war. Angelika Hardegger, Journalistin der «Republik», führte einmal mehr in jedes Referat ein und moderierte die anschliessende Podiumsdiskussion. Chantal Tobler, Landwirtschaftsspezialistin bei Nestlé Schweiz, war kurzfristig für den vorgesehenen Daniel Imhof eingesprungen. Sie zeichnete in kurzen Zügen die Geschichte von Nestlé nach, die heute weltweit 270 000 Menschen beschäftigt und täglich eine Milliarde Produkte verkauft. Nestlé hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 die «Grüne Null» zu erreichen. Weltweit, in allen Werken und mit allen Marken. Dafür fördert das Unternehmen regenerative Lebensmittelsysteme. «Nebst der Nachhaltigkeit helfen wir zu schützen, zu erneuern und wiederherzustellen», wie Chantal Tobler sagte.

Bauern ins Boot holen

Bei der regenerativen Landwirtschaft gehört für Nestlé dazu, dass Ackerland und sein Ökosystem erhalten und wiederhergestellt werden, 20 Prozent der wichtigsten Zutaten bis 2025 durch regenerative Landwirtschaft bezogen werden, 50 Prozent bis 2030. «Wir senken den Ausstoss von CO2 und Co. radikal – im gesamten Unternehmen und entlang der gesamten Lieferkette. Wir unterstützen 500 000 Bauern, auf einen bodenschonenden regenerativen Ackerbau umzustellen. Das ist gut für das Klima und für das Einkommen der Bauern. Wir erhalten Landschaften, wie Moore, die dabei helfen, Kohlenstoff aus der Luft zu binden, und pflanzen über 200 Millionen Bäume bis 2030», verspricht das weltweit tätige Unternehmen. Wie Chantal Tobler aufzeigte, gehört zur regenerativen Landwirtschaft die Verbesserung der Bodengesundheit, die Reduzierung des Treibhausgasausstosses, die Förderung der biologischen Vielfalt, der Schutz der Wasserkreisläufe, die Verbesserung des Herdenmanagements und die Unterstützung der produzierenden Gemeinschaften. Die Referentin stellte Projekte wie «Klimastar Milch» und «Agroimpact» vor. «Agroimpact» wird den landwirtschaftlichen Betrieben massgeschneiderte Anbaumethoden anbieten, mit denen die CO2-Emissionen reduziert werden und Kohlenstoff im Boden gebunden wird. Mehrere hundert Landwirtschaftsbetriebe werden sich an diesem in der Schweiz einmaligen Projekt beteiligen.

Gesunder Boden

Die Gemüseproduzentin Manuela Meier ist eine Macherin. Sie denkt, handelt, versucht, analysiert und ist offen für neue Ansätze. «Ein gesunder Boden ist das Wichtigste und ebenfalls das Ökosystem darum herum. Zu lange ist Boden unbedeckt geblieben», machte sie zu Beginn ihrer Ausführungen klar. Sie hat sich für die regenerative Landwirtschaft entschieden, weil die Produktion nachhaltiger werden muss. Lieber spritze sie die Kulturen, als die Produktion zu verlieren. Die Biodiversität und die Klimaentwicklung bereiten ihr Sorge. «Wir müssen mit dem Klima arbeiten und dabei flexibel sein und neugierig auf Neues. Der Druck mit der CO2-Bilanz steigt», stellte sie fest. Sie stellte in der Magadino-Ebene auch fest, dass es im Winter weniger Frost hat, was die Schädlinge fördert und die Bodenstruktur verschlechtert, dass es mehr Hitze gibt und zu viel Regen aufs Mal. Sie setzt auf Kalk für ihr Gemüse. «Das hält das Wasser besser zurück und die Pflanzen sind weniger krank. Kalk ist ein natürliches Material und der Einsatz lohnt sich», betonte sie. Manuela Meier erklärte ihre Anbaumethode mit einer Sechs-Jahres-Fruchtfolge, Gründüngung, Förderung der Mikroorganismen, mit biologisch abbaubaren Mulchfolien, leichten Maschinen und Kompostbeigaben. «Ein gesunder Boden bedeutet gesundes Gemüse. Das Gleichgewicht zu erhalten ist jedoch anspruchsvoll», gestand sie. Bei der Sortenwahl setzt sie auf robuste Sorten. Ältere Sorten seien dabei im Vorteil. Rüstabfälle bleiben direkt auf den sortengleichen Parzellen. «Meine Generation will nachhaltig sein», sagte sie.

Rege Diskussionen während der Pause. Frauen waren gut vertreten.
Rege Diskussionen während der Pause. Frauen waren gut vertreten.

Individuelle Ernährung

Claudia Wüst ist Heilpraktikerin und ging auf die individuell angepasste Ernährung ein. Sie erwähnte Unverträglichkeiten, Auswirkungen von einseitiger Ernährung, schlechte Verhältnisse von Omega-3- und Omega-6-Fetten und die Bedeutung von B-Vitaminen. Sie betonte, dass Menschen unterschiedlich seien und es deshalb wichtig sei, die Wahrnehmung zu schulen und für sich selbst herauszufinden, welche Nahrungsmittel guttun und welche nicht. Regelmässige Protein-Shakes seien nur beim Abnehmen sinnvoll, um eine Mahlzeit zu ersetzen, und auch von Smoothies riet sie ab. «Gemüse sollte mit dem Löffel gegessen werden.» Tierische Proteine könnten besser verstoffwechselt werden, weil sie näher am Menschen seien. Kalte Butter sei kein Problem, gehärtete Fette könnten jedoch langfristig schaden. Zu hoher Zuckerkonsum könne Zivilkrankheiten begünstigen. Früchte seien problemlos. Wer zwei Tage wenig esse, könne danach ein gutes Gefühl für die richtigen Nahrungsmittel entwickeln, war ihr Rat.

Petra Jorasch von Euroseeds war von Brüssel gekommen. Sie sprach über die Züchtungstechnologie, die immer wichtiger wird, um mit verschiedenen Voraussetzungen zurechtzukommen. Letztlich sollen resistentere, lagerfähigere Lebensmittel produziert werden können, die weniger Pestizide, Düngemittel, Land und Energie verbrauchen. 66 Prozent der Produktionssteigerung in der Landwirtschaft basierten auf der verbesserten Genetik, sagte Petra Jorasch. 50 000 Sorten hat Euroseeds katalogisiert, 4000 neue Pflanzensorten kommen jährlich auf den Markt. Die Referentin erklärte den Zusammenhang zwischen der Pflanzenzüchtung und der EU-Nachhaltigkeitsstrategie. Hauptsächlich geht es um die Reduzierung von Vor- und Nachernteverlusten, um gesunde pflanzenbasierte Nahrungsalternativen und weniger Lebensmittelverschwendung, um weniger Pestizide, Düngemittel und Landverbrauch und um weniger Energie und Verarbeitungschemikalien. «Die Wachstumsraten der globalen Ernteerträge sinken. Um Schritt zu halten, ist eine Steigerung der Effizienz in der Züchtung erforderlich», machte Jorasch bewusst. Pflanzengenome weisen von Natur aus strukturelle Variationen auf und diese Diversität sei die Basis für die Züchtung. «Precision Breeding», die präzise Art, die DNA einer Pflanze zu verändern, ist heute die mögliche und schnelle Methode, beste Eigenschaften zu züchten und Gene auszutauschen. Noch verhindert die Gentechnik-Gesetzgebung in Europa genomeditierte Produkte auf den Markt zu bringen.

Verschwendete Lebensmittel

Jeanine Ammann, Lebensmittelwissenschaftlerin bei Agroscope, befasste sich mit der Verschwendung von Lebensmitteln, dem Food Waste. 2,8 Tonnen pro Jahr oder 330 Kilo pro Person und Jahr gehen in der Schweiz auf dem Weg vom Feld bis zum Teller verloren oder werden weggeworfen. Food Waste in Haushalten und Gastronomie verursacht rund die Hälfte der Umweltbelastung. Die Landwirtschaft belastet sie mit 13 Prozent. Jeanine Ammann erklärte, wie die Resultate zustande gekommen sind, was wo verschwendet wird, wie Konsumentinnen und Konsumenten reagieren, wie sie sich verhalten und warum überhaupt Essen entsorgt oder verschwendet wird. Man könne das eigene Verhalten mithilfe eines Tagebuchs analysieren, um die Gründe für Food Waste zu finden. Mahlzeiten planen, Einkaufslisten erstellen, den Überblick über den Vorrat behalten, richtige Mengen kaufen oder Essen weitergeben führte sie als Vorschläge an. «Jeder kann etwas beitragen», fiel auch als Ratschlag in der anschliessenden Podiumsdiskussion, die aufzeigte, dass vieles möglich wäre, einiges gemacht wird und anderes dringend an die Hand genommen werden müsste. Vor allem brauche es eine gute Kommunikation und Information der Konsumentinnen und Konsumenten.

Die Technik machte es möglich. Die Fachtagung wurde online übertragen.
Die Technik machte es möglich. Die Fachtagung wurde online übertragen.

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